Die Zukunft der Altersvorsorge und ein neues Aufsichtsgesetz: Die 30. GV des SIBA
9. September 2021 | AktuellAm vergangenen Montag fand die 30. Generalversammlung des Verbands Schweizerischer Versicherungsbroker SIBA statt. Gast war der Ökonom Prof. Dr. Aymo Brunetti, welcher in seinem Vortrag «Die Zukunft der Altersvorsorge. Quo vadis Schweiz?» neue Perspektiven beleuchtete.
SIBA-Mitarbeit an der Neugestaltung des VAG
Markus Lehmann, Präsident des SIBA, wies am vergangenen Montag einmal mehr auf die Bedeutung des Verbands innerhalb des Schweizer Versicherungsmarktes hin. Trotz Übernahmen und Fusionen konnte der SIBA neue Mitglieder aufnehmen. Somit verzeichnet er neu 95 Mitgliederfirmen mit rund 2 500 Mitarbeitenden. Das betreute Prämienvolumen steigerte sich zwischenzeitlich auf 10,2 Milliarden Franken. Dies ist nicht der einzige Erfolg, welches der Verband verzeichnen durfte: Der SIBA hat aktiv an der Neugestaltung des VAG mitgearbeitet und wird dies auch in Zukunft tun, genauso wie er auch bei der neuen Aufsichtsverordnung mitwirkt. Die Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes VAG werde neue Massstäbe setzen und die Broker mit neuen Herausforderungen konfrontieren. Obwohl der Verband grundsätzlich der Meinung ist, dass auf Regulierungen weitestgehend verzichtet werden sollte, unterstützt er das strengere VAG. Die meisten Revisionspunkte, welche den SIBA und seine Mitglieder betreffen, dienen einem sauberen Brokermarkt und verbesserter Qualität.
Zusätzlich dazu wurde ein neuer BVG-Lehrgang geschaffen, welcher dieses Jahr ein erstes Mal angeboten wurde. Damit wird auf den aus Sicht des SIBA einzig wahren Kritikpunkt der Gegner geantwortet, wonach nicht alle Broker in der Beratung des 2.-Säulengeschäfts genügend ausgebildet seien.
Vermittlungsentschädigung
Der Präsident erachtet die Versicherungswirtschaft in der Schweiz, inklusive ungebundener Versicherungsvermittler, als sehr stabil. Die langjährige Erfolgsgeschichte dürfe nicht durch ideologisch getriebene Massnahmen gefährdet werden. Der «unqualifizierte Angriff der unheiligen Allianz von Pensionskassen-Netz und dem Schweizerischen Pensionskassenverband ASIP» auf die Vermittlungsentschädigung in der beruflichen Vorsorge hänge nach wie vor in der Luft. Dennoch: Die erste Runde in der ständerätlichen Gesundheitskommission wurde erfolgreich gewonnen. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates hatte bereits gegen ein Verbot von Entschädigungen für die Vermittlung von Vorsorgegeschäften ausgesprochen. Der entsprechende Artikel wurde deutlich mit 28 zu 14 Stimmen und gegen den Willen der Linken gestrichen.
Gemeinsame Zukunft mit der IG B2B
Vor zwei Jahren entschied sich der SIBA für eine strategische Zusammenarbeit mit der Interessensgemeinschaft B2B. Diese, sowie das Projekt EcoHub, befinden sich an einem entscheidenden Wendepunkt: Noch immer fehlt die konsequente Umsetzung der vorgegebenen Ziele der IG, dabei geht es insbesondere geht es um die Finanzierung und weitere Entwicklung. Mit den aktuellen Strukturen lässt sich eine nachhaltige Finanzierung des Vereins, der Unterhalt und Betrieb des EcoHub und Marktplatz nicht garantieren. Mit einem angepassten Beitragsreglement soll an der kommenden Generalversammlung die Grundvoraussetzung für die Weiterentwicklung und Erneuerung der entsprechenden Technologien für die kommenden drei bis fünf Jahre sichergestellt werden.
Lehmann appellierte zudem an Broker und Versicherer, gemeinsam in die gleiche Richtung zu gehen, bevor Google oder Amazon es ihnen vormachen würden. Ziel des SIBA sei nach wie vor eine Plattform zu bieten, welche den hohen Ansprüchen an Unabhängigkeit und Neutralität genügen kann, insbesondere auch im Hinblick auf den Datenschutz.
Wie weiter mit der Schweizer Altersvorsorge?
Höhepunkt der Generalversammlung war das Referat des eingeladenen Ökonoms Prof. Dr. Aymo Brunetti. Unter dem Titel «Die Zukunft der Altersvorsorge. Quo vadis Schweiz?» zeichnete der Ökonom Prof. Dr. Aymo Brunetti eine der zwei grössten Herausforderungen der Zukunft auf. Neben der Nachhaltigkeit sorgt er sich besonders um die Schweizer Altersvorsorge. Das Grundproblem liege dabei im dynamischen Anstieg der Lebenserwartung und dem statischen Rentenalter, welches seit der Einführung der AHV 1948 gleichbelassen wurde. Daraus resultiert ein grosses Ungleichgewicht. Zur Erhöhung der Lebenserwartung steht die ungleichmässige Altersstruktur, die auf die Babyboomer-Generation (1946 – 1964) zurückzuführen ist.
Das jetzige System der Altersvorsorge existiert seit fünfzig Jahren. Die AHV ist nicht langfristig finanziert und auch die Realisierung der AHV-Revision AHV21 vermag das grundsätzliche Finanzierungsproblem der AHV nicht lösen. Zudem besteht dadurch in der 2. Säule eine massive Umverteilung über die Generationen hinweg. Mit der Pensionierung der Babyboomer-Generation wird sich die Situation weiter verschlechtern.
Wie weiter? Vorschläge des Referenten
Zur Problemlösung bestehen laut Brunetti drei Möglichkeiten: Die Erhöhung der Einnahmen über die Steuern, die Reduktion der Ausgaben oder die Erhöhung des Rentenalters.
Mit der Erhöhung des Rentenalters würden beide Probleme der Einnahmen- und der Ausgabenseite angegangen. Die Reformstrategie der letzten Jahrzehnte basierte auf Einnahmen und war daher relativ erfolglos. Auch die AHV21 basiert hauptsächlich auf Mehreinnahmen. Brunetti, wie viele andere Ökonomen auch, ist überzeugt, dass nur die Anhebung des Rentenalters die Zukunft der Altersvorsorge sichern kann.
Am wichtigsten sei dabei, dass damit die massive Umverteilung von jung zu alt gebrochen wird. Noch funktioniert die AHV als Generationenvertrag, aber sobald das Ungleichgewicht zu gross wird, wird diese Solidarität gefährdet. Einzig mit der schrittweisen Erhöhung des Rentenalters kann diesem Ungleichgewicht begegnet werden. Ein grosser Vorteil besteht darin, dass es automatisch beide Säulen betrifft.
Zu wenig Arbeitsplätze
Doch kämpfen wir nicht bereits heute mit einer hohen Altersarbeitslosigkeit, welche durch ein Anheben des Rentenalters nur verschlimmert würde? Gemäss Brunetti ist diese Annahme ökonomisch falsch. Die Anzahl Arbeitsplätze sei nicht statisch, sonst wäre es zu grosser Arbeitslosigkeit gekommen, als sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr Frauen am Arbeitsmarkt beteiligten.
Zudem verlassen viel mehr Babyboomer in der nächsten Jahrzehnten den Arbeitsmarkt, als junge Menschen einsteigen. Brunetti geht daher davon aus, dass Unternehmen in den nächsten Jahren eher händeringend auch nach älteren Arbeitnehmenden suchen werden, da insgesamt zu wenig Arbeitskräfte vorhanden sein würden.
Politische Realisierbarkeit im europäischen Vergleich
Bereits jetzt ist der Abschied vom Rentenalter 65 der europäische Normalfall. Bis 2050 soll das Rentenalter in Deutschland, Frankreich und Spanien auf 67 steigen, in Grossbritannien auf 68, in den Niederlanden auf 71 und in Dänemark gar auf 72. Viele europäischen Länder koppeln das Rentenalter wiederum an die Lebenserwartung.
Mit dem Zustandekommen der Renteninitiative der Jungfreisinnigen ist das Thema nun in der politischen Agenda. Für Brunetti ist die Initiative ein «Game-Changer», weil sie erstmals die Erhöhung des Rentenalters aufs Tapet bringt. Klar ist, dass die Vorlage in der Schweiz bereits heute umstritten ist und eine Erhöhung des Rentenalters vor dem Stimmvolk schwierig sein wird.
Binci Heeb