History of Insurance in a Global Perspective – An international conference

22. Juli 2022 | Aktuell Allgemein
Die internationale Konferenz fand vom 20. – 22. Juli im Biozentrum der Universität Basel statt. Bild: ©Biozentrum
History of Insurance in a global perspective: Die internationale Konferenz fand vom 20. – 22. Juli im Biozentrum der Universität Basel statt. Bild: ©Biozentrum

Bruno Kopp, Broker bei RMS Risk Management Service, einem Mitglied der ASSEPRO Gruppe, und CEO von thebroker berichtet von der internationalen Konferenz über was wir aus der Geschichte lernen können. Gut baslerisch-bescheiden lädt die Universität Basel nach einem ersten Anlass im Jahre 2019 in Sevilla zur zweiten weltweiten Konferenz zur Geschichte der Versicherung ein.

Fast hätte ich den Anlass «History of Insurance in a Global Perspective» verpasst. 72 Speaker habe ich im Programm gezählt. Schon das Programm liest sich wie ein Abenteuer: Zu Afrika «Who do you trust?» Oder «Ransome Transactions and Risk Management in the 17th Century Mediterranean». Oha, Entführungen rund ums Mittelmeer? «Modern Insurance Regulation System in Russia»; «Five Thousand Years of Insurance History in Iran»; «The Ransom of Black Lives: Insurance and Slave Trading in the French Empire 1681 – 1794».

Prof. Dr. Martin Lengwiler freut sich über die Präsenz von thebroker. Er hat die Konferenz mit seinem Team auf die Beine gestellt.

History of Insurance: Versicherungen in Afrika

Ich finde mich im Plenarsaal zur ersten Keynote von Prof. Grietje Verhoef (University of Johannesburg) zum Thema Afrika. Unter dem Begriff Lebensversicherungen kennt Afrika mehrheitlich Begräbnisversicherungen. Die Bezeichnungen sind unterschiedlich von Ethnie zur Ethnie.

Versicherungen entwickeln sich in Afrika aus sozialen Bedürfnissen heraus, «Comunity based demand», wie sie sagt. Und eben ohne trust, mit Vertrauen geht nichts. Ich denke: «Wie hätte ich je eine Kundin, einen Kunden ohne dieses bekannte Geheimnis beraten können?» Und noch etwas, die Bedürfnisse hängen von individuellen Faktoren ab, wie erwartetes Einkommen, Erspartes, Ausbildungsstand.

Die übrigen Märkte sind am Entstehen. Eigentlich überspringt Afrika das ganze Vorspiel, Regulierung, Deregulierung, Reregulierung etc. Heute werden die Smartphones genau wie bei uns völlig digital gegen Herunterfallen versichert. In der Pause erklärt mir die Referentin, dass das Versicherungswesen im Moment nur in Südafrika vollständig etabliert sei. Ebenfalls gäbe es eine Entwicklung in Marokko. Im Resten Afrikas sei nichts. Die Aufsichtsregelung sei im ganzen Kontinent erst am Entstehen. 2020 betrug das Prämienvolumens in Afrika 60’190 Milionen US Dollar, ein Prozent des weltweiten Prämienvolumens. Zwei Drittel davon wurde in Südafrika realisiert. Ich denke für mich: «Was für ein Potenzial.»

History of Insurance: Unfallversicherung Schweiz

Und schon beginnt das nächste Thema: «Unfallversicherung Schweiz». Begleitet von Christopher Stadlin, Corporate Historian der Zürich Insurance und einem der Partner der Veranstaltung. Na, da weiss ich doch schon was! Aber offensichtlich doch nicht so viel… Zunächst wurden die Arbeitgeber bei einem Unfall im Betrieb gesetzlich dazu verpflichtet, die Folgekosten zu übernehmen. Auch dann, wenn den Arbeitgeber keine Schuld getroffen hatte. Deshalb wurde gesetzlich die Haftung festgeschrieben. Demnach zahlte keine Unfallversicherung, wenn jemand die Treppe runterfiel, sondern der Arbeitgeber musste zahlen. Da gibt es Daten wie 1877 (Factory Law), 1881 (Liability Law). Was ich bisher wusste, der Agent war zuständig für den Prämieneinzug. Das hat mir schon meine Grossmutter erzählt. Aber laut dem Referenten hat er auch das Geld zur Schadenzahlung gebracht. Das war mir neu. Damit hatten die Versicherer die beste Kontrolle und der Agent ermahnte den Kunden wieder zur Arbeit zu gehen, wenn er schon so was wie gesund war.

Was ich nicht wusste: Falls sich das Portefeuille des Agenten negativ entwickelte, hatte man ihn verpflichtet, das ganze Portefeuille zu kündigen. Die Agenten waren damals Unternehmer. Mir als Broker wurde es ganz warm…. Ohne Portefeuille, keine Einkommen. Ich, der keine Krankentaggeldversicherung im Portefeuille habe, die positiv verläuft, weil sich immer ein Versicherer findet, der trotz hoher Schadenbelastung noch tiefere Sätze offeriert. 1900 hätte ich das wohl ersatzlos auflösen müssen. Das waren andere Sitten damals.

Ein Mithörer verweist auf den Umstand, dass es eigentlich die Arbeitgeber waren, die genossenschaftliche Lösungen zur Bewältigung der Unfallversicherung bevorzugten. Sie trauten den privaten Versicherungen nicht, wegen deren undurchsichtigen Reservestellungen. Sie hätten das lieber selbst unter Kontrolle gehabt. Ob das die Entstehung der staatlichen SUVA begünstigt hat? Das wurde am Anlass nicht geklärt.

Beginn des Einflusses der Versicherungsmathematik im 19. Jahrhundert aus weltweiter Sicht

Ach ja, ich befinde mich nun im Seminarraum zum Thema: «Beginn des Einflusses der Versicherungsmathematik im 19. Jahrhundert aus weltweiter Sicht». Sehr frei übersetzt. Herrlich, das Referat von Vera Linke. Department of Sociology, von der Helmut Schmidt University in Hamburg. Sie weist mit einer unübertreffbaren Präzision historisch wissenschaftlich nach, dass im 19. Jahrhundert die Lebensversicherung völlig ohne irgendwelche wissenschaftliche Grundlagen abgeschlossen wurden. Einfach schön. Und es funktionierte. Jeder Underwriter hatte einfach so aus dem Gefühl heraus entschieden, wer wohl die Versicherungsdauer überleben würde und wer nicht. Ganz so, wie wir es heute bei der Quotierung von Cyber Risk erleben.

Und tatsächlich, die ganze Welt funktionierte so: Präsentiert von Ana Patrica Marins, Portugal aus der Universität von Lissabon oder dem Dreierteam aus Bratislava, Erika Pestoráková, Tomás Ondruská und Zuzana Brokesová. Man gründete Versicherungsgesellschaften, entwickelte Tarife aus dem Nichts und feierte vermutlich die guten Ergebnisse. Letzteres ist eine Annahme von mir und durch die WissenschaftlerInnen nicht belegt.

The Many Meanings of Mutuality in insurance History

Am späten Nachmittag sitze ich ins Seminar «The Many Meanings of Mutuality in Insurance History.» Ja, was ist Mutuality, genossenschaftlich? Wir werden ins 17. Jahrhundert zurückversetzt und begeben uns in den Norden Hollands. Präsentiert durch Delphine Sirks, VU Amsterdam. Da wurden entführte Schifffahrer unterstützt. Oder Mühlebesitzer organisierten sich für Sachschäden. Ob das nur Feuer oder auch andere Schäden beinhaltete, war nicht so klar. Wir diskutieren darüber, wo genossenschaftlich beginnt und wann es aufhört? Schon im Jahre 1650 entstand die Versicherung zunächst aus einem gemeinschaftlichem Zusammenstehen. 20 Jahre später wurden Zahlungspflichten und Ansprüche vertraglich festgehalten.  

Grossartig auch die spanische Variante der Solidarität, präsentiert durch Mar Hernandez Escudero und untersucht von Jose Antolin Nieto Sánchez, Universität Madrid. Ebenfalls so um 1650 verpflichteten sich Handwerksmeister Lehrlinge auf eigene Rechnung auszubilden, für Essen und Kleidung zu sorgen, selten auch zu Geldleistungen. Das Spezielle am Deal: Bei den Lehrlingen handelte es sich um Waisenkinder. Die grosse Frage stand im Anschluss des Seminars zur Diskussion: Wo sind die Grenzen von Sozialhilfe zur Versicherung und zu welchem Zeitpunkt ist die Versicherung genossenschaftlich oder wirtschaftlich organisiert? Was die Historikerinnen für die im 17. Jahrhundert bestehenden Lösungen zu erklären versuchen, gilt wohl heute genauso, wenn ich an die aktuellen Diskussionen zur AHV-Revision und den offenen Fragen zur zweiten Säule denke.  

Ich frage mich, welchen Vergleich ich wohl in den verbleibenden zwei Seminartagen entdecke und welche Fragen und Lösungen ich aus der Vergangenheit für meine künftigen Entscheide mitnehmen kann.

Bruno Kopp

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