Wie viele Krankenhäuser in der Schweiz müssen schliessen?

23. September 2024 | Aktuell Allgemein
Wie viele Krankenhäuser in der Schweiz müssen schliessen?
Wie viele Krankenhäuser in der Schweiz müssen schliessen?

Beim gestrigen Blick durch die Sonntagszeitungen ist, neben den negativ verlaufenen Abstimmungen über Biodiversität und BVG, besonders ein Thema aufgefallen. Der Sonntags Blick titelte mit «Schweizer Spitäler ind Lebensgefahr» und schrieb, wie schlecht es den Schweizer Krankenhäusern geht. Neun von zehn Akutspitälern seien gefährdet. Grund für thebroker, die Situation unter die Lupe zu nehmen.

Die Situation der Schweizer Spitäler ist derzeit äusserst angespannt, viele stehen vor erheblichen Herausforderungen. Laut Berichten aus dem Hause Ringier sind bis zu 90 Prozent der Spitäler in finanzieller Notlage. Die Gründe hierfür sind vielfältig, darunter der zunehmende Kostendruck, der Fachkräftemangel und unzureichende Investitionen in Digitalisierung und Infrastruktur. COVID-19 hat die Lage zusätzlich verschärft, was zu Umsatzrückgängen und sinkenden Gewinnmargen führte.

Sind die Schweizer Spitäler dem Niedergang geweiht?

Einige Kliniken können langfristig ohne Unterstützung kaum überleben, und viele Kantone stehen nun vor der Herausforderung, Entscheidungen über mögliche Schliessungen oder Fusionen zu treffen. Es wird auch darüber diskutiert, dass Rettungspakete alleine nicht ausreichen, um das Problem zu lösen – strukturelle Reformen im Gesundheitssystem sind dringend notwendig, um die Versorgung effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Rein wirtschaftlich positiv fällt auf, dass die Psychiatrien ihren Umsatz steigern konnten, was zeigt, dass es auch im Gesundheitswesen Bereiche gibt, die noch wachsen. Dennoch bleibt der allgemeine Trend im Spitalsektor, was die finanzielle Situation betrifft, besorgniserregend​.

Sollten die Kantone mögliche Schliessungen in Erwägung ziehen oder eher Fusionen?

Die Frage, ob Kantone Spitäler schliessen oder fusionieren sollten, hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Systemrelevanz der jeweiligen Einrichtungen, wirtschaftliche Überlegungen und regionale Gesundheitsbedarfe. Für Schliessungen spricht die Kosteneffizienz, denn weniger rentable oder stark defizitäre Spitäler können die finanzielle Last für die Kantone reduzieren. Angesichts der Tatsache, dass viele Spitäler Verluste schreiben und langfristig nicht überlebensfähig sind, wäre eine Reduktion der Anzahl der Spitäler eine Möglichkeit, Kosten zu senken​. Mehrere Regionen haben mehr Spitäler, als tatsächlich benötigt werden, was zu unnötigen Doppelstrukturen führt. Schliessungen könnten hier für eine schlankere und effizientere Struktur sorgen.

Für Fusionen spricht der Erhalt der Gesundheitsversorgung. Sie ermöglichen es, diese in einer Region aufrechtzuerhalten, ohne dass die Patientinnen und Patienten weite Wege auf sich nehmen müssen. Fusionierte Spitäler könnten Ressourcen bündeln, besser wirtschaften und Synergieeffekte nutzen​. Fusionen schaffen spezialisierte Zentren entstehen, die qualitativ hochwertigere Behandlungen anbieten können. Das wiederum würde eine bessere medizinische Versorgung sicherstellen, ohne das Netz von Spitälern drastisch auszudünnen.

Langfristig bieten Fusionen mehr Potenzial, da sie die Versorgung erhalten. Ihre Effizienz steigern und gleichzeitig die finanziellen Probleme lindern könnten. Schliessungen sollten eher die Ultima Ratio sein, vor allem in Regionen, in denen Spitäler systemrelevant sind oder eine Unterversorgung drohen würde.

Entscheidende Schritte

Deutliche Investitionen in die Digitalisierung sind ein entscheidender Schritt, um Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern. Elektronische Patientenakten, telemedizinische Dienstleistungen und KI-gestützte Diagnosetools könnten den Betrieb verschlanken und den Personalmangel abmildern. Der Übergang zu effizienteren Prozessen ist jedoch teuer und muss gut geplant werden​. Die seit 2004 geltende, schwer umstrittene, Tarifstruktur TARMED für ambulante ärztliche Leistungen wird per 1. Januar 2026 durch die neue Einzelleistungstarifstruktur TARDOC sowie durch eine Tarifstruktur für Pauschalen ersetzt, jedoch denken viele Ärzte, dass sich die Preise danach sogar noch erhöhen werden.

Die Bekämpfung des Fachkräftemangels bleibt entscheidend. Massnahmen wie bessere Arbeitsbedingungen, attraktivere Gehälter und gezielte Aus- und Weiterbildungsprogramme könnten helfen, mehr qualifiziertes Personal zu gewinnen und die Pflegequalität zu sichern. Gleichzeitig müssten Outsourcing und Partnerschaften in Bereichen wie Verwaltung oder Logistik helfen, Fixkosten zu senken.

Höhere Tarife sowie ein Teuerungsausgleich

Der Spitalverband H+ fordert höhere Tarife und einen Teuerungsausgleich, um die finanzielle Notlage der Spitäler abzumildern. Diese Massnahmen könnten jedoch zu steigenden Kosten für die Krankenkassen und damit zu höheren Prämien für die Versicherten führen. Das stellt ein Dilemma dar, denn sowohl das Gesundheitswesen als auch die Bevölkerung stehen unter Druck. Durch gezielte Tariferhöhungen anstelle von flächendeckender Erhöhung aller Tarife könnten Tarifanpassungen in spezifischen Bereichen vorgenommen werden, in denen der Kostendruck besonders hoch ist. So sollte der Anstieg der Krankenkassenprämien gedämpft werden, während die finanziell besonders belasteten Bereiche Unterstützung erhalten.

Spitäler könnten vor der Forderung nach höheren Tarifen Massnahmen ergreifen, um ihre Effizienz zu steigern. Das bedeutet verstärkte Digitalisierung, bessere Nutzung von Synergien durch Fusionen oder Kooperationen und Einsparungen in administrativen Bereichen. Diese Massnahmen könnten helfen, den Kostendruck zu lindern, ohne die Tarife stark anheben zu müssen​.

Teuerungsausgleich bei gleichzeitiger Kostenkontrolle

Ein Teuerungsausgleich könnte eingeführt werden, der Spitäler unterstützt, aber gekoppelt an strengere Kontrollmechanismen, um sicherzustellen, dass die Mittel effizient genutzt werden. Der Staat könnte zusätzliche Förderungen an die Spitäler geben, um sicherzustellen, dass wichtige Versorgungsstrukturen erhalten bleiben, ohne dass die gesamte Last auf die Krankenkassen abgewälzt wird.

Prämienentlastung für die Bevölkerung

Wenn Tariferhöhungen unvermeidbar sind, könnte parallel eine stärkere Entlastung der Versicherten durch staatliche Zuschüsse oder eine Reform des Prämienentlastungssystems erfolgen. Die Kantone würden hierbei eine grössere Rolle spielen, um sicherzustellen, dass die Prämien bezahlbar bleiben​.

Kollabiert bald das ganze System?

Obwohl viele Spitäler finanzielle Probleme haben und die Herausforderungen gross sind, deutet nichts darauf hin, dass ein unmittelbarer Zusammenbruch bevorsteht. Trotz der vielen Herausforderungen gibt es die bereits erwähnten Lösungen. Ausserdem wird der Gesundheitssektor weiterhin als systemrelevant angesehen, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Staat und die Kantone eingreifen, um einen Zusammenbruch zu verhindern. Es gibt Diskussionen über strukturelle Reformen, die das System stabilisieren könnten​.

Es ist eine Balance nötig zwischen der finanziellen Stabilität der Spitäler und der Bezahlbarkeit der Krankenkassenprämien. Eine Kombination aus gezielten Tariferhöhungen, Effizienzsteigerungen und staatlicher Unterstützung könnte helfen, die Krise zu bewältigen, ohne dass die Bevölkerung übermässig belastet wird. Und auch die Ärzte gehören entlastet, denn die Schweiz steuert darauf zu, wie in Deutschland nur gerade einmal fünf Minuten anstelle von 10 und 15 Minuten pro Patienten zur Verfügung zu haben.

Wenn die finanzielle Lage jedoch über längere Zeit kritisch bleibt, könnte eine vorübergehende staatliche Unterstützung oder die Einrichtung eines Notfonds notwendig sein. Diese kurzfristige Lösung würde Spitälern die nötige Zeit geben, um langfristige Reformen umzusetzen und strukturelle Änderungen vorzunehmen. Durch eine Kombination dieser Massnahmen können Spitäler die aktuelle Krise überwinden und eine nachhaltige Zukunft sichern.

BK

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