Grosse Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern: Bei Versicherungen sind sie am grössten

25. Juni 2021 | Aktuell

Die vom Bundesamt für Statistik BFS im Februar publizierten Zahlen zu den Lohnunterschieden zwischen Frauen und Männern auf dem Schweizer Arbeitsmarkt sind noch immer signifikant. Demnach verdienen Frauen im Durchschnitt 19 Prozent weniger als Männer. Nun präsentiert das BFS eine Analyse anhand der schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2018 mit branchenspezifischen Erkenntnissen.

Frauen werden beruflich im Gegensatz zu Männern nach wie vor benachteiligt: Sei es durch ein tieferes Lohnniveau oder weil sie bei gleicher Qualifikation innerhalb eines Unternehmens geringere Anstellungschancen haben. Dabei spricht man von Lohn-, beziehungsweise von Beschäftigungsdiskriminierung. Einige dieser Diskriminierungen liegen in der Verantwortung der Betriebe, beispielsweise tiefere Einstiegslöhnen für Frauen in gleichwertigen Funktionen oder dass bestimmte Lohnzulagen nur Vollzeitangestellten vorbehalten sind, was Frauen dadurch betrifft, da sie häufiger in Teilzeit arbeiten. Die Folgen von Lohndiskriminierung wirken sich jedoch auch auf die Sozialversicherungen und die Rentenhöhe aus. Mit Auswirkungen für alle Steuerzahlenden: Der Staat muss in der Folge mehr Sozialhilfebeiträge entrichten. 

Die Plattform Lohngleichheit des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann berät Arbeitgebende und Arbeitnehmende zur Realisierung einer echter Lohngleichheit.

Das falsche Gen: Ein Unterschied von 1512 Franken

Frauen, die Vollzeit arbeiten, verdienen durchschnittlich 6456 Franken monatlich, Männer deutlich mehr: Mit 7968 Franken liegt ihr Durchschnittslohn 19 Prozent höher. Der Gender Pay Gap beträgt demnach 1512 Franken. Im privaten Sektor ist das mittlere Einkommen oder der Medianlohn von Frauen 949 Franken tiefer (14,4 Prozent) als bei Männern. Im öffentlichen Sektor sieht es etwas besser aus: Beim Bund, den Kantonen, Gemeinden, öffentlichen Spitälern und Universitäten beträgt der Unterschied 11,4 Prozent. Selbst hier kann aber von Gleichberechtigung noch lange keine Rede sein.

Die höchsten Löhne werden dem obersten, oberen und mittleren Kader bezahlt. Die Lohnunterschiede erklären sich teilweise durch Faktoren wie Bildungsniveau, Qualifikation, Anzahl Dienstjahre oder einer Führungsfunktion. Oft sind Frauen aus familiären Gründen in Kaderstellen schwächer vertreten, was sich negativ auf Berufserfahrung, Vertragsdauer und Verdienstchancen auswirkt.

Frauen arbeiten noch zu oft in Tieflohnbranchen

Auf dem Arbeitsmarkt sind Frauen und Männer sehr unterschiedlich vertreten. Männer arbeiten häufiger in der Industrie und im verarbeitenden Gewerbe, während Frauen insbesondere im Gesundheits- sowie Sozialwesen (77 Prozent) oder im Detailhandel (67 Prozent) tätig sind. Auch die Verteilung von Nettolöhnen und Sonderzahlungen (z.B. Boni) unterscheiden sich zwischen den Geschlechtern deutlich. Frauen sind im Bereich der tiefen Nettolöhne – oft aufgrund von Teilzeitarbeit – bis 5000 Franken übervertreten. Zudem ist der durchschnittliche Anteil von Sonderzahlungen am Bruttolohn bei Frauen geringer als bei Männern.

Beschäftigung und Lohndifferenz abhängig von Grossregion, Alter und Ausbildung

Der tiefste Frauenanteil bei Beschäftigten (41.7 Prozent) wurde im Jahr 2018 in der Region Ostschweiz festgestellt. Ihre höchste Vertretung findet sich in der Grossregion Zürich (45.3 Prozent). Insgesamt sind die Unterschiede zwischen den Regionen jedoch eher klein. Grösser ist hingegen die Lohndifferenz: Der Durchschnittslohn der Frauen ist um 15.0 Prozent in der Genferseeregion und 24.3 Prozent in der Region Zürich tiefer als derjenige ihrer männlichen Kollegen.

Die Altersgruppe unter 30 Jahren weist mit 47.3 Prozent den höchsten Frauenanteil aus. In den beiden älteren Altersgruppen liegt er bei knapp 43 Prozent. Bezüglich der Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern sind grosse Unterschiede zwischen den Jahrgängen zu beobachten. Verglichen mit Arbeitnehmenden unter 30 Jahren ist die durchschnittliche Lohndifferenz in der ältesten Gruppe (≥ 50 Jahre) rund fünfmal höher.

Frauen mit einem Hochschulabschluss (Universität, ETH) sowie mit dem Abschluss einer Fach- oder pädagogischen Hochschule weisen mit 24.9 Prozent die höchste Lohndifferenz zu ihren männlichen Kollegen auf. Der grösste Gehaltsunterschied betrifft Verkaufskräfte (- 25.7 Prozent), Montageberufe (-25.4 Prozent) sowie nicht akademisch betriebswirtschaftliche und kaufmännische Fachkräfte (-23.3 Prozent). Der kleinste Lohnunterschied besteht bei den weiteren Bürokräften sowie verwandten Berufen (- 2.7 Prozent) und Schutzkräften und Sicherheitsbediensteten (- 3 Prozent).

Die grössten Lohnunterschiede finden sich bei Frauen im Finanzdienstleistungssektor oder bei Versicherungen. Das weibliche Geschlecht verdient dort durchschnittlich 30.5, respektive 28.9 Prozent weniger als das männliche. Im Durchschnitt bedeutet dies jeden Monat 3000 Franken weniger Lohn auf dem Konto.

Lohnunterschied in ausgewählten Wirtschaftsbranchen 2018

Monatlicher Bruttolohn (Median), in Franken – Gesamtwirtschaft

BrancheFrauenMännerUnterschied
Finanz­dienstleistungen7 88311 35030,5%30,5%
Versicherungen7 34910 33228,9%28,9%
Information und Kommunikation7 2169 28122,2%22,2%
Architektur6 3627 81718,6%18,6%
Werbung und Marktforschung6 0687 35717,5%17,5%
Maschinenbau5 9677 14416,5%16,5%
Öffentliche Verwaltung7 5178 82414,8%14,8%
Gesundheits­wesen6 5007 58714,3%14,3%
Detailhandel4 6875 45514,1%14,1%
Forschung und Entwicklung8 1679 33312,5%12,5%
Kunst und Unterhaltung6 1596 87110,4%10,4%
Erziehung und Unterricht8 2999 1169%9%
Gastronomie4 3104 5344,9%4,9%
Post- und Kurierdienste5 7215 8802,7%2,7%
Baugewerbe6 1166 2301,8%1,8%
Quelle: Bundesamt für Statitik

Wie hoch ist der Gender Pay Gap in den angrenzenden Ländern?

In den an die Schweiz angrenzenden Ländern sieht es sehr unterschiedlich aus. Während im Vergleichsjahr 2018 der Gender Pay Gap in Deutschland 20.1 Prozent betrug, führte Frankreich im gleichen Jahr bei 15.8 Prozent ein Gesetz für die Lohngleichheit von Frau und Mann ein. Firmen erhielten dabei drei Jahre Zeit die Lohnunterschiede auszugleichen. Eine spezielle Software zur Lohnabrechnung soll ständig überprüfen, ob die Gehälter tatsächlich angeglichen wurden. Unternehmen, die der Forderung nicht nachkommen, können mit Geldstrafen von bis zu einem Prozent der Gesamtlohnkosten belegt werden. 

In Österreich liegt der Gender Pay Gap bei 20,4 Prozent, währendem er in Italien nur 3,9 Prozent beträgt. Generell zählen die Versicherungen zu den am wenigsten vorbildlichen Arbeitgebenden.

Im Verfassungsartikel zur Rechtsgleichheit steht: «Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit». Auch das Gleichstellungsgesetz verbietet jede Diskriminierung in Arbeitsverhältnissen und beim Lohn aus Gründen des Geschlechts.


Binci Heeb


Tags: #Gender Pay Gap #Lohngleichheit #Lohnstrukturerhebung #Medianlohn