Als Strombroker allein auf weiter Flur

7. September 2020 | Interviews
Bild von Alexei Chizhov auf Pixabay

Seit der Gründung seiner Firma Renergy GmbH 2013 unterstützt Mauro Renggli KMUs, Grossverbraucher und Gemeinden beim Stromeinkauf. Als unabhängiger Strombroker wickelt er für seine Kunden die Strombeschaffung ab.

Herr Renggli, Ihre Unternehmung «Renergy» ist als unabhängiger Strombroker tätig, für den Laien schwer zu verstehen was hinter dieser Bezeichnung steckt?

Zunächst wollte ich mich eigentlich «Energietreuhänder» nennen. Doch dann entschied ich mich für die heutige Bezeichnung «Strombroker» mit dem wichtigen Zusatz «unabhängig». Denn im Gegensatz zum Versicherungsbroker werde ich vom Kunden bezahlt, was zu seinem Vorteil ist. 

Bei einer Ausschreibung zum Beispiel haben Kunden die Möglichkeit sich für den Anbieter mit dem Bestpreis zu entscheiden oder für den Stromlieferanten, bei welchem eine lokale Beziehung besteht. Böse Stimmen unterstellen den Versicherungsbrokern, sie vermitteln den Kunden dorthin, wo sie selbst die grössten Kickbacks erhalten. Das ist bei mir weder möglich, noch der Fall. Es ist alleine der Kunde, der gestützt auf meine Informationen entscheidet, wer ihm den Strom liefert. Somit ist meine Unabhängigkeit gewährleistet. 

Am 1. September 2020 halte ich einen Vortrag bei der Handelskammer beider Basel mit dem Thema: «Strom ist ein Bedarf, aber kein Bedürfnis». Einfacher ausgedrückt, ohne Strom würde bei uns nichts funktionieren. Trotzdem ist es kein Bedarf, denn Strom löst keine Emotionen und Bedürfnisse aus. 

Welche Position und Tätigkeit übernehmen Sie in Ihrer Unternehmung?

Ich arbeite auf Basis einer Vollmacht, welche ich von jedem meiner Kunden erhalte. Nehmen wir als Beispiele meine Kunden Morath AG, Gerber-Vogt AG und Paul Goop AG. Für sie gehe ich zum lokalen Energieversorger, in diesem Fall Primeo, und erhalte deren Verbrauchsdaten. Ich arbeite mit einer ähnlich aufgebauten Strombeschaffungs-Plattform, wie «eBay», auf welcher 30 bis 40 Schweizer Energieversorger präsent sind (inkl. Primeo, EBL und IWB). 

Mit dem Kunden wird abgesprochen für wie viele Jahre er den Strom beschaffen möchte und welche Energiequalität er wünscht, ob er Wasserkraft oder andere Herkunft bevorzugt. Anschliessend schalte ich zum Beispiel für heute um 14.00 h eine verbindliche Ausschreibung mit den Bedarfs-Daten des Kunden auf der Plattform frei und sofort erhalten alle potentiellen Stromlieferanten eine E-Mail für die Offerte. Es ist eine reine Auktion, die eine Stunde dauert. 30 Minuten vor Schluss geben die Stromlieferanten ihre Angebote auf der Plattform ein. Die Lieferanten sehen dabei weder den Namen des Bieters, noch die Preisofferten der anderen Bieter, nur ihre eigene Bieter-Position. Das bedeutet, sie müssen sich mit einem besseren Angebot auf der Liste nach vorne an den ersten Platz heranarbeiten. Punkt 15.00 Uhr schliesst in diesem Beispiel die Plattform und es können keine Angebote mehr abgegeben werden. 

Hierzu eine Rangliste 

Was erhält der Kunde?

Der Kunde erhält dann die komplette Angebotsliste und sieht die Rangliste und Teilnehmer. Anschliessend bespreche ich die Ergebnisse telefonisch mit dem ihm und er teilt mir seinen Entscheid mit, wem er den Zuschlag geben möchte. Dann informiere ich den bestimmten Lieferanten, er schickt mir den Vertrag, dieser wird durch mich geprüft und damit ist meine Dienstleistung erledigt. Der Kunde ist völlig entlastet, kann sich um sein Kerngeschäft kümmern und muss sich keine Gedanken machen, wann bestehende Verträge auslaufen. Wenn gewünscht, deklariere ich die Auktion mit dem Hinweis «es gewinnt der mit dem günstigsten Angebot» dann wird der Ablauf viel aggressiver.

Interessanterweise gewinnt nie derselbe Lieferant, ich kann also nicht generell sagen, dieser Bieter ist der beliebteste oder beste auf dem Markt.

Mauro Renggli

Durch die automatische Ranglistenerstellung und Angebotsauswertung können die Bindefrist der Angebote und die damit verbundenen Aufschläge auf ein Minimum reduziert werden. Meine Kunden profitieren dank dem breiten Wettbewerb von den schweizweit besten Marktpreisen. Dadurch, dass über 30 – 40 Energieversorger beteiligt sind, haben wir mehrere «IWB’s, EBM’s, Priemos» – also eine enorme Zahl. Auch die ganz grossen, also Axpo, Alpiq, BKW, etc. nehmen teil. Der Kunde kann frei wählen von wo er den Strom bezieht. Das muss keiner der lokalen Anbieter sein. 

Kann jeder an dieser Auktion teilnehmen?

Die Teilnahme an diesen Auktionen ist vorläufig nur für Unternehmen mit einem gewissen Stromverbrauch möglich. KMUs gehören da aber schnell dazu. Seit 2009 gibt es das Schweizer Energiegesetz das bestimmt: wer über 100’000 Kilowatt-Stunden pro Jahr benötigt, ist «marktberechtigt», also nicht mehr an die Tarife des lokalen Anbieters gebunden und frei zwischen den verschiedenen Anbietern, egal wo diese ihren Standort haben, zu wählen.

Somit sind Privathaushalte davon ausgeschlossen, da sie jährlich nur etwa 4’000 bis 5’000 Kilowatt-Stunden verbrauchen. Wenn da nicht noch ein Whirlpool, eine Sauna oder andere Energiefresser am Netz hängen, bedeutet dies eine jährlich Belastung zwischen 600 und 700 Franken. 

Also Wohnungs- oder Einfamilienhausbesitzer haben das Nachsehen?

Noch. Eben gab es wieder eine Vernehmlassung. Der Bundesrat will ab 2023 den gesamten Strommarkt der Schweiz liberalisieren. Das würde freien Zugang für alle Nutzer bedeuten. Sie würden im Privathaushalt so etwa 60 – 100 Franken pro Jahr sparen, ob sich da der nötige Aufwand wirklich lohnt ist eine andere Frage. Unternehmen hingegen sparen schnell einige 1’000 Franken. Für Alters-, Pflegeheime, Kliniken, Druckereien, Gastronomen, etc. macht das jedoch Sinn. 

Auch für Gemeinden beschaffe ich den Strom. So gehören die Gemeinden Allschwil, Arlesheim, Bottmingen, Kaiseraugst, Lausen und andere zu meinen Kunden. Doch als One-Man-Show mit nicht unendlich verfügbaren Ressourcen muss ich mich vornehmlich auf die Deutschschweiz konzentrieren, zumal viele potentielle Kunden noch gar nicht realisiert haben, dass Ihnen seit 2009 bei einem geringen Aufwand dank des «unabhängigen Strombrokers» ihr ganzer Aufwand vollständig wegfällt und sie zudem sehr viel Geld sparen können. 

Ihre Tätigkeit hört sich sehr spannend an, wie sieht konkret der typischer Tagesablauf eines Strombrokers aus?

Sehr beständig, immer (lacht). Nein ich bewege mich sehr stark in den sozialen Netzwerken um Kunden, über die noch viel zu wenig bekannten Möglichkeiten des gesetzlich seit über 11 Jahren möglichen freien Stromzugang zu informieren. Rund 80 Prozent meiner Tätigkeit besteht aus der Akquise. Dank den Kontakten mit Kunden beim KMU Allschwil-Schönenbuch, Handelskammern, Verbänden, etc. bin ich kein Consultant, der ständig Papier produzieren muss. Dieses Netz gilt es täglich weiter auszubauen.   

Wie ist generell das Verhältnis mit den Stromlieferanten? Sieht man Renergy, also den unabhängigen Strombroker, als wertvollen Partner oder ist Renergy nicht selten ein eher unbequemer Konkurrent? Immerhin suchen Sie für Ihre Kunden nach dem günstigsten und qualitativ besten Angebot.

Beides. Sehr wahrscheinlich mögen mich die Lieferanten nicht besonders, auf der anderen Seite erhalten sie so neue Kunden oder ehemalige zurück. Und bei jeder Ausschreibung bieten sie alle mit. Natürlich könnten sie die Auktionen ignorieren, aber da ich transparent, unabhängig und mich darüber freuen darf in der ganzen Schweiz tätig zu sein und Kunden, wie die ganze Hirslanden-Gruppe, Kliniken das Merian Iselin-Spitals oder zahlreiche KMUs, z.B. Sanitär Trösch mir vertrauen, können die Stromlieferanten auf diesem Weg zu interessanten Abschlüssen kommen.

Wie lange ist die Vertragsdauer bei einem Abschluss ?

Normalerweise zwei bis drei Jahre. Hausratsversicherung und ähnliches kann man jedes Jahr erneuern. Doch der Strom ist eine «Commodity», also Ware. Ob wir Öl, Kohle, Gas oder Strom erwerben, alles wird zuvor an der Börse pro Kalenderjahr gehandelt. Man kauft deshalb immer für etwas längere Zeit ein. Bei einer jährlichen Vertragsanpassung wäre der Aufwand zu gross. Doch selbstverständlich kontaktiere ich den Kunden vor Ablauf des Vertrages, begleite ihn aber auch, wenn er es wünscht, währende der ganzen Vertragsdauer. Nehmen wir als Beispiel jemanden, den ich bisher noch nicht kannte und der im Jahr 2007 einen Vertrag über drei Jahre abgeschlossen hätte. Damals betrug der Strompreis 3,5 – 4 Rappen, inzwischen ist er bei 5,5 bis 6 Rappen. Eine massive Kostensteigerung. Ich beobachte deshalb ständig den Markt und sobald sich eine deutliche Preissteigerung bzw. -senkung abzeichnet, kontaktiere ich meine Kunden. Solchen Entwicklungen wird gewöhnlich generell viel zu wenig Beachtung geschenkt.       

Wie gross ist die Anzahl professioneller Strombroker in unserem Land?

Wenn ich eine Hand voll aufzählen kann, sind das bereits sehr viele. Die Stromlieferanten selber versuchen natürlich mich zu umgehen. Selbstverständlich gibt es da auch seriöse Beraterfirmen, die jeweils den ganzen Geschäftsbereich eines Unternehmen abzudecken versuchen, dem Strombezug jedoch aus einem anderen Betrachtungswinkel Beachtung schenken. Spezialisten, die wie ich über Auktionen die beste Lösung erreichen, sind noch sehr selten. Mit ein Grund, weshalb wir viel zu wenig bekannt sind. 

Noch einmal, in Stichworten: was unterscheidet Sie von Ihren Konkurrenten Primeo, IWB und EBL?

Renergy liefert keinen Strom, kein Aufwand für den Kunden, Unabhängigkeit und freie Lieferantenwahl.

Sie haben mit Ihrem Unternehmen längst Erfolg und bedeutende Kunden, u.a. in der Autobranche, Spital- und Klinikzentren, selbst Bergbahnen, um nur einige zu nennen. Erfolg verpflichtet, verraten Sie uns etwas über Ihre Ziele und Visionen.

Nehmen wir aus gegebenem Anlass die Region Allschwil-Schönenbuch. Mein Ziel ist auf breiter Basis die KMUs, also Schreiner, Schlosser usw. zu erreichen, ihnen die Vorteile der Zusammenarbeit mit einem «unabhängigen Strombroker» aufzuzeigen. Denn die Eigenbestimmung beim Stromverbrauch ist ein Grundrecht. Fällt dieses weg, hätten wir die Situation wie bei einem Zwang ausschliesslich im Coop einzukaufen, obwohl die Konkurrenz in einzelnen Bereichen vielleicht besser wäre. 

Mein Ziel ist den Kundenkreis zu erweitern, die bestehenden Netzwerke auszubauen und mit dem Angebot bekannter zu werden. Wäre schön, jeden Betrieb, der von den vorteilhaften Möglichkeit des Strombrokers erfährt, betreuen zu dürfen. Meine grosse Hoffnung ist, dass der Strommarkt 2023 endlich vollständig liberalisiert wird. Wir sind das einzige Land weit und breit, wo dies noch nicht der Fall ist. Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich – überall könn die Haushalte frei ihre Lieferanten wählen. In der Schweiz war das bisher politisch einfach nicht möglich.

Während der Coronakrise wurde und wird deutlich weniger Strom verbraucht, was bedeutet das für Ihre Firma?

Wie viele andere auch, hatte ich während zwei Monaten zunächst einmal überhaupt keine Möglichkeit Kontakte aufzunehmen. Und bis heute haben viele Kunden ganz andere Probleme als sich plötzlich vermehrt Gedanken über ihren Strombezug in der Zukunft zu machen. Dies obwohl aufgrund der gesunkenen Nachfrage die Preise stark gesunken sind und man gerade jetzt zu äusserst günstigen Konditionen Verträge abschliessen kann. Aber jede Krise hat auch ihre Chance. Wer unsicher ist, ob sein Verbrauch bereits heute den freien Bezug erlaubt, der sollte sich jetzt in der Zeit von Corona die Stromrechnung genau anschauen. Sollte diese in der Summe vor dem Virus monatlich mindestens 9’000 Kilowattstunden ausweisen, der ist bereits heute «marktberechtigt» und hat Anrecht auf die gezeigten grossen Vorteile.

In dieser aus eigener Erfahrung erlebten gerade für KMUs schwierigen Zeit, biete ich allen interessierten Betrieben eine kostenlosen Analyse ihrer Stromkosten an. Das einzige, was «Renergy» dafür braucht ,ist aktuelle Stromrechnung (zum Beispiel: Monat Juli 2020). Das Resultat erhält man kostenlos und selbstverständlich ohne Verpflichtung direkt von Renergy.  

Abschliessend aber wichtig: Wie sieht es mit der Beschaffung von Ökostrom aus?

Strom kommt aus der Steckdose, die Elektronen fliessen durch jene Leitungen, die den geringsten Widerstand bieten. Das ist Physik. Für Nutzer, die lobenswerterweise erneuerbare Energie suchen, gibt es sogenannte «Herkunftsnachweise» HKN genannt. HKN sind auf dem Markt in verschiedensten Varianten erhältlich. Für Solar-, Wasser- und Windenergie. Leider sind diese Labels noch immer ziemlich teuer. Der günstigste, behördlich akzeptierte Nachweis für Wasserenergie zum Beispiel, produziert Skandinavien. Doch der Strom schafft es von dort nie bis Allschwil oder Schönenbuch. 

Selbstverständlich bespreche ich mit dem Kunden auf Wunsch die effektiv nachhaltigen Lösungen und kaufe bei Bedarf auch die entsprechenden Zertifikate. Ein «Strombroker» nimmt Ihnen all den administrativen Aufwand, kostet Sie aber weder Geld noch Zeit. 


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