Am 1. Januar 2022 tritt die «Weiterentwicklung der IV» in Kraft
20. August 2021 | AktuellMit der «Weiterentwicklung der Invalidenversicherung IV» für Kinder und Jugendliche sowie Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen sollen Betroffene eine intensivere Begleitung als bereits bisher erhalten. Die Vorlage ersetzt das heutige Rentenmodell mit seinen Schwellen durch ein stufenloses System.
Die Bemühungen eines Wandels der IV von einer Renten- zu einer Eingliederungskasse zeigten sich als erfolgreich. Um Invalidität zu vermeiden und eine rasche, aber medizinisch über alle Zweifel hinweg vertretbare Wiedereingliederung der Betroffenen zu ermöglichen, waren neue Wege nötig.
Am 19. Juni 2020 verabschiedeten National- und Ständerat die Vorlage, da akuter Handlungsbedarf bei Kindern und Jugendlichen mit Gesundheitsproblemen sowie auch für psychisch Kranke besteht.
Das Zentrum bilden dabei die intensivere Begleitung und Steuerung bei Geburtsgebrechen, eine gezielte Unterstützung von Jugendlichen beim Übergang ins Erwerbsleben und der Ausbau der Beratung wie auch die Begleitung von Menschen mit psychischen Gesundheitsstörungen. Des Weiteren wird die Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und Ärzten mit den Arbeitgebenden und der IV ausgebaut. Das heutige Rentenmodell hat ausgedient, ein stufenloses System soll es ersetzen.
Kinder mit Geburtsgebrechen
Bei den Geburtsgebrechen handelt es sich um eine lange Liste von gesundheitlichen Problemen, unter anderem um Skelettmissbildungen an Kopf, Wirbelsäule, Rippen, Thorax, Schulterblättern und Extremitäten. In Zukunft will die IV Kinder und ihre Familien insbesondere bei komplexen gesundheitlichen Einschränkungen enger begleiten. Medizinische Behandlungen sollen zur Unterstützung der späteren Eingliederung verstärkt mit anderen Leistungen der IV koordiniert werden.
Die Liste der Geburtsgebrechen wird auf den neusten, medizinischen Stand gebracht und zudem durch weitere, seltenere Krankheiten ergänzt. Im Gegenzug werden Geburtsgebrechen, die heute aufgrund der medizinischen Fortschritte mit geringem Aufwand behandelt werden, in Zukunft von der Krankenversicherung übernommen.
Bessere Unterstützung für Jugendliche beim Übergang ins Erwerbsleben
Durch die verstärkte Beratung und Begleitung von jungen Versicherten, wie auch Fachpersonen aus Schule und Ausbildung, soll die Rente künftig erst dann zugesprochen werden müssen, wenn alle Massnahmen zur Eingliederung ausgeschöpft sind. Zudem haben junge Menschen in der beruflichen Eingliederung bis zum 25. Altersjahr, also fünf Jahre länger Zeit als bisher, Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen der IV.
Ausbau von Beratung und Begleitung psychisch beeinträchtigter Menschen
Da Personen mit psychischen Beeinträchtigungen spezifische Unterstützung benötigen, soll die Früherfassung künftig noch schneller, möglichst bereits vor einer Krankschreibung, möglich sein. Betroffene können frühzeitig über die Eingliederung hinaus von der IV begleitet und beraten werden. Die Einführung eines Personalverleihs wird es Arbeitgebenden ermöglichen potentielle Mitarbeitende kennenzulernen. Damit die Vermittlungschancen auch nach Wegfall der Invalidenrente erhöht werden, verdoppelt sich die Bezugsdauer für Taggelder der Arbeitslosenversicherung auf 180 Tage.
Stufenloses Rentensystem ist gerechter
Das stufenlose Rentensystem soll gerechter sein und den Anreiz zur Erwerbstätigkeit erhöhen. Weil wegen Schwelleneffekten das verfügbare Einkommen von vielen IV-Rentner*innen bisher nicht wächst, ist das derzeit noch geltende, vierstufige System wenig attraktiv. Wie heute wird auch in Zukunft ab einem IV-Grad von 70 Prozent eine ganze Rente zugesprochen. Bereits laufende Renten werden nach dem neuen System berechnet, sollte sich bei einer Revision der Invaliditätsgrad um mindestens fünf Prozent ändern und/oder die versicherte Person bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung noch keine 55 Jahre alt sein. Nicht angepasste Renten von Versicherten unter 30 Jahren werden innert zehn Jahren ins stufenlose System überführt.
Behindertenorganisationen zeigen sich zufrieden
Behindertenorganisationen wie Inclusion Handicap und Procap sind erleichtert, dass sich das Parlament gegen einschneidende Sparmassnahmen ausgesprochen hatte. Als «Baustelle» bezeichnet Inclusion Handicap lediglich die Qualitätssicherung bei den medizinischen Gutachten, da zahlreiche Gutachter*innen ihrer Meinung nach immer wieder tendenziöse Berichte verfassten, die im Gegenzug mit weiteren Aufträgen durch die IV-Stellen belohnt würden.
Binci Heeb