Assura: Höchst umstrittener Plan, Kosten zu senken

23. September 2020 | Aktuell
Assura-Hauptsitz, Pully ©Assura

Der Krankenversicherer Assura hat wieder einmal eine Idee, wie er seine Kosten senken kann. Mit dem «Qualimed»-Modell, in Deutschland. Zum Wohle der Patientenzufriedenheit?

Wer Assura hört schüttelt nicht selten den Kopf. Es gibt einige Broker, die Ihre Kundinnen und Kunden von diesem Versicherer klipp und klar abraten. Zu viele Probleme, kundenunfreundlich, nicht nachvollziehbare Grundsatzdiskussionen – die Liste der Nachteile ist lang. Es gibt Spitäler, welche Assura-Versicherte nur gegen Vorkasse akzeptieren, was einiges aussagt. Im Krankenkassenvergleich von comparis.ch schneidet die Versicherung dieses Jahr gerade einmal mit «genügend» ab. Trotzdem sind über eine Million Menschen beim Waadtländer Unternehmen versichert, was auf ihre tiefen Prämien zurückzuführen ist, denn Assura spart bis an die Grenzen des Zumutbaren. 

Und der Druck geht weiter. Bereits ab kommendem Jahr sollen die Versicherten der Assura versuchsweise in den Genuss eines neuen Versicherungsmodells kommen. Schmackhaft gemacht wird der Plan mit noch tieferen Prämien. Das hört sich doch gut an. Doch das Modell «Qualimed» birgt seine Tücken. So darf der Hausarzt bei bestimmten Problemen, wie zum Beispiel bei Herz-Kreislauf, Bewegungsapparat, der Urologie oder der Verdauung nicht mehr direkt an einen Spezialisten verweisen, sondern er muss seinen Bericht an die Firma «BetterDoc» mit Sitz in Köln weiterleiten. In Deutschland wird dann über eine allfällige Zuweisung an den Spezialisten entschieden.

Wer ist BetterDoc?

Interessant ist zunächst, dass BetterDoc ein vollständig familiengeführtes Unternehmen ist. Die drei Co-Gründer sind laut eigenen Angaben Dr. med. Donata von Dellingshausen, Chief Medical-Officel , Nils von Dellingshausen, Chief Executive Officer und Christoph A. von Dellingshausen, Chief Financial Officer. Die Belegschaft von BetterDoc sei gemäss Homepage «ein erfahrenes Team aus Ärzten, Gesundheitsökonomen, Datananalysten, UX-Designern, IT-Entwicklern und Sicherheitsspezialisten. Unsere Mitarbeiter sind von der Mission von BetterDoc erfüllt, das deutsche Gesundheitssystem im Sinne des Patienten zu revolutionieren und die Qualität in der Medizin in den Mittelpunkt zu stellen.» Wie sehr Ihnen auch das Schweizerische Gesundheitssystem am Herzen liegt, ist nicht bekannt, ebenso wenig entsprechende Erfahrungen.

BetterDoc gibt an den Versicherten – ab 1. Januar 2021 nun also auch den «Qualimed»-Versicherten von Assura – im Krankheitsfall zu helfen, mit effektiver Patientensteuerung zu unterstützen und die richtige Behandlung beim dafür geeigneten Arzt zu finden. Weil es unter den Ärzten grosse Unterschiede gäbe, berate die Firma aus Köln bei der Auswahl der Besten. Zudem empfiehlt sie für eine Zweitmeinung ausschliesslich Spezialisten, die für die Behandlung der Erkrankung in höchstem Masse qualifiziert seien. Dadurch könnten bis zu 60 Prozent aller Eingriffe vermieden werden, was zu einer deutlichen Kostensenkung beitragen würde. Die Assura darf sich die Hände reiben.

BetterDoc mit Schweizer Tochter

Assura plant mit BetterDoc ein weiteres Alternativmodell anzubieten. Dieses schlägt jeweils drei Fachärzte vor, aus denen der Patient einen auswählen darf. Zu den Qualitätskriterien zählen gemäss einem Schreiben der Assura, welches der Versicherer bereits an Hausärzte und Ärzteorganisationen verschickt hat, die Ausbildung, Publikationen, Fallzahlen und Rückmeldungen von Patienten. Wer die Beurteilungen schliesslich vornehmen wird, legt BetterDoc nicht offen. Die Firma verfügt jedoch über ein Expertenbeirat aus Fachpersonen, dem nach eigenen Angaben auch Ärzte und Ärztinnen aus der Schweiz angehören sollen.

Gemäss Auskunft von Assura gegenüber thebroker befinde sich das Modell jedoch noch im Genehmigungsprozess durch das Bundesamt für Gesundheit BAG, weshalb sie zurzeit keine Auskünfte über die voraussichtlichen Preise geben können. Sie rechnen mit einer Genehmigung noch Ende dieses Monats.

Bundesrat Berset sucht zur Zeit nach neuen Modellen um die Gesundheitskosten in den Griff zu bekommen. Assura macht es ihm nach, doch steht dabei das Eigenwohl eher im Vordergrund statt das Wohl der Versicherungsnehmer. Ob die ständigen Einschränkungen der freien Arztwahl vom Schweizer Stimmvolk goutiert werden, wird sich zeigen. Am Ende hat der Souverän zu entscheiden. Bei Assura hingegen ist es alleine der Versicherungsnehmer.

Binci Heeb


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