Axa kündigt seine Mitgliedschaft beim SVV und lässt die Branche rätseln

7. Juli 2020 | Interviews
Markus Lehmann, Präsident SIBA. Foto ©thebroker

Eigentlich gilt die Wahrung der gemeinsamen Interessen der Verbandsmitglieder für den Assekuranz-Standort Schweiz als eines der Hauptziele des Schweizerischen Versicherungsverbands SVV. Eigentlich… «thebroker» im Interview mit Markus Lehmann, Präsident Verband Schweizerischer Versicherungsbroker SIBA.

Herr Lehmann, der Schweizerische Versicherungsverband SVV ist das Gegenstück zum Verband Schweizerischer Versicherungsbroker SIBA, dessen Verband Sie als Präsident vorstehen. Wie Ihr Verband äussert er sich u.a. im Rahmen von Vernehmlassungen zu neuen Gesetzesvorlagen und politischen Fragen. Was unterscheidet Ihre beiden Verbände?

In erster Linie die Grösse und das Mitgliedervolumen. Versicherungsgesellschaften sind natürlich viel finanzstärker als wir Versicherungsbroker, woraus auch die grösseren Beiträge an den Versicherungsverband resultieren. Der SVV ist ein Profiverband mit vielen Angestellten. Im Vergleich dazu ist der SIBA ein «bescheidener Club», mit einem Präsidenten, der Spesen bezieht, einem Geschäftsführer und sehr aktiven Vorstandsmitgliedern. Unsere Mitgliederzahl von 93 ist gegenüber dem SVV (75) grösser, aber sie haben durch ihre Finanzstärke entsprechend mehr Gewicht. Zudem muss der SVV wesentlich mehr komplexe und politisch heiklere Themenfelder abdecken als der SIBA. Der SVV vertritt ca. 40’000 Angestellte in der Schweiz, wogegen wir «nur» 2’500 vertreten. 

Nun scheint beim SVV Ungemach zu herrschen, ist in Inside Paradeplatz zu lesen, da Axa per Ende 2020 ihren Austritt aus dem Schweizerischen Versicherungsverband gegeben hat. Wie ist Ihre Einschätzung?

Meine Einschätzung kommt einer Hoffnung gleich: Nämlich, dass Axa ihren Unmut oder ihre Unzufriedenheit platzieren konnte und dass sie ihre Kündigung möglicherweise wieder zurückzieht. Dann könnte man von einer taktischen Massnahme ausgehen. Wenn diese Nachricht vom Paradeplatz stammt, muss es sich um eine Indiskretion handeln, was ich in der Zwischenzeit auch gehört habe. Es sollte nicht an die Öffentlichkeit dringen. Die Kündigung erfolgte ja bereits im Mai dieses Jahres. Ich bin zuversichtlich, dass sich beide Parteien finden werden, denn ein Verband, der sich in Bern Gehör verschaffen möchte, muss geeint sein. Es kann nicht sein und ist nicht förderlich, wenn Axa in der Bundeshauptstadt ihr «eigenes Züglein» fährt. 

Als Grund gibt Axa an:

Im Rahmen der Weiterentwicklung ihrer Unternehmensstrategie überdenkt Axa ihre Rolle im politischen und gesellschaftlichen Diskurs und ist daran, ein neues Verständnis als politischer Akteur zu entwickeln.

In diesem Zusammenhang prüft die Axa insbesondere auch, ob sich ihr neues Rollenverständnis mit einer Mitgliedschaft im Schweizerischen Versicherungsverband in seiner heutigen Form weiterhin vereinbaren lässt.

Was bedeuten diese Aussagen?

Im Prinzip kann man nicht viel dazu sagen. Dafür müsste man die neue strategische Ausrichtung der Axa kennen. Zwischenzeitlich war jedoch zu lesen, dass die politischen Positionierungen von SVV Präsident Rolf Dörig in der Öffentlichkeit eine Rolle spielen sollten. Die Axa als französisches Unternehmen könnte auf die kommende Abstimmung zum EU-Rahmenvertrag reagiert haben, zu der der Präsident eine Meinung hat. Für mich gilt hier, dass wir in der Schweiz immer noch eine Meinungs- und Redefreiheit haben, auch wenn diese mehr und mehr eingegrenzt wird. Wer heute mit klaren Worten eine Meinung vertritt – egal ob richtig oder falsch, links oder rechts – wird schnell in eine extreme Ecke verbannt. Das ist eine ganz schlechte Entwicklung für die Schweiz und schadet dem Wirtschaftsstandort über kurz oder lang.

Axa gehört zu den grössten Versicherern. Glauben Sie, dass ihr andere folgen werden?

Das wissen wir nicht, ich gehe jedoch nicht davon aus. Ich fände es nicht gut, wenn auch weitere ihr eigenes Ding machen würden. Vielleicht muss der SVV über die Bücher. Präsident Rolf Dörig wurde öffentlich für seine Amtsführung, u.a. für seine Nichterreichbarkeit kritisiert. Ich hatte damit bisher nie Probleme, konnte und kann ihn immer erreichen. Es fand ein spürbarer Umbruch statt, als Präsident und Direktor des SVV wechselten. Vielleicht wurde dieser von den Gesellschaften nicht goutiert? 

Wird ein Austritt Einfluss auf die Aus- und Weiterbildung haben?

Nein, die FINMA  (Eidgenössische Finanzmarktaufsicht) diktiert zumindest für die ungebundenen Versicherungsvermittler, welche Anforderungen zu erfüllen sind, so wie guter Leumund, Haftpflichtversicherung und Aus- und Weiterbildungen. Im neuen Versicherungsaufsichtsgesetz wird dies explizit erwähnt und noch strenger geregelt. Die Ausbildungen, die der VBV (Berufsbildungsverband der Versicherungswirtschaft) und weitere Institutionen anbieten, werden keine negative Auswirkung erfahren. Ich nehme an, die Axa wird demzufolge in Sachen Aus- und Weiterbildung keinen eigenen Weg beschreiten.

In ihrer Kündigung schreibt Axa, dass sie je nach Resultat der Abklärung die Kündigung bis Ende Oktober dieses Jahres zurückziehen würde. Glauben Sie, dass der SVV Axa wie gewünscht entgegenkommen wird?

Ich gehe davon aus, dass konstruktive Gespräche stattfinden werden. 

Gab es in Ihrer Zeit als Verbandspräsident auch schön ähnliche Kündigungen oder Vorfälle?

Zu Beginn meiner Amtszeit ist einer der ersten drei Top-Broker der Schweiz unter Äusserung von Kritik, die die Verbandsarbeit generell betraf, aus dem SIBA ausgetreten. Von der neuen Führung des Verbandes wurden die geäusserten Kritikpunkte ohnehin erkannt und direkt angegangen. Es war klar, dass man einiges zu ändern hatte. Das führte in der Zwischenzeit dazu, dass der Broker heute wieder Mitglied bei unserem Verband ist und sich sehr aktiv einbringt.

Markus Lehmann, 1955, Präsident Verband Schweizerischer Versicherungsbroker SIBA. Begann seine Karriere bei der Winterhur, wechselte zur Elvia, dann zu Inhouse-Broker Basel-Stadt. Gefolgt von der Geschäftsführung bei Rimas AG und Regionaldirektion Nordwestschweiz bei National Versicherung. Seit 2018 Geschäftsleitungsmitglied bei Balrisk AG.

In der Politik war der ehemalige Spitzenhandballer – 82 Länderspiele für die Schweiz – aktiv. Sass von 1996 bis 2005 und von 2009 bis 2013 im Basler Grossen Rat, von 2011/12 als Grossratspräsident. Von 2001 – 2013 Präsident der CVP Basel-Stadt. Er vertrat den Stadtkanton als Nationalrat von 2011 bis 2015 in Bern und wirkte in mehreren Kommissionen mit. Verheiratet und Vater zweier erwachsener Töchter.


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