Baloise Kunstförderung
6. November 2020 | InterviewsKunst kann sehr teuer sein, sie zu versichern auch. thebroker hat mit dem künstlerischen Berater der Baloise und Kurator der Fondation Beyeler, Martin Schwander, über den Baloise Kunst-Preis, Kunst auf dem Flugzeugsitz und das Versichern von Kunst gesprochen.
Herr Schwander, welches Sammlungskonzept verfolgt die Baloise mit ihrer Sammlung?
Die Baloise sammelt seit nunmehr 30 Jahren internationale Gegenwartskunst. Wir konzentrieren uns dabei auf Arbeiten auf Papier und Fotografien von Kunstschaffenden aus aller Welt. Die Sammlung umfasst heute mehr als 1500 Kunstwerke von ca. 120 Kunstschaffenden. Die frühesten Kunstwerke in der Baloise-Sammlung sind Arbeiten von amerikanischen Konzept- und Minimalkünstlern wie z.B. Sol LeWitt, Richard Serra und Bruce Nauman. Zu den jüngsten Kunstschaffenden in der Sammlung gehören Künstlerinnen und Künstler wie Karsten Födinger, John Skoog und Sara Cwynar.
Werden Sie in die Hängung der Kunstwerke in den Büros des neuen Konzernsitzes der Baloise involviert sein?
Die Kunstkommission der Baloise war immer schon für die Platzierung der Kunstwerke in den öffentlichen Zonen zuständig. In den letzten Wochen haben wir ein Hängekonzept für die Sitzungszimmer, Gänge und Aufenthaltsräume entwickelt. Diener & Diener Architekten haben zudem im Gebäudekern auf mehreren Stockwerken einen Raum konzipiert, der der Präsentation von Werken aus unserer Sammlung vorbehalten ist. Darin werden wir nun in sich geschlossene Kunstpräsentationen inszenieren können. Das ist ein Privileg, das wir sehr zu schätzen wissen.
Hatten die Mitarbeitenden ein Mitspracherecht?
Die Mitarbeitenden der Baloise sind eingeladen, für ihren Arbeitsplatz ein Kunstwerk aus der Baloise-Sammlung auszuwählen. Die Zeiten sind definitiv vorbei, als Vorgesetzte Kunstwerke für ihre Mitarbeitenden ausgewählt haben…
Seit 21 Jahren vergibt die Baloise den Baloise Kunst-Preis, der mit je 30 000 Franken dotiert ist und an zwei junge zeitgenössische Kunstschaffende vergeben wird. Wer waren die letzten beiden Preisträger/Preisträgerinnen?
2020 musste die Art Basel wegen der Corona-Krise abgesagt werden. Wir konnten daher zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren im Juni keinen Kunst-Preis vergeben. 2019 haben wir an der Art Basel die italienische Plastikerin Giulia Cenci und die chinesische Malerin Xinyi Cheng prämiert.
Von den jeweiligen Künstlerinnen und/oder Künstlern wird jeweils ein Werk angekauft und einem europäischen Museum geschenkt. Weshalb an kein Schweizer Museum?
Der Baloise Kunst-Preis bringt an der Art Basel den beiden ausgezeichneten Kunstschaffenden – national wie international – viel Aufmerksamkeit. Von Anfang an hat die Baloise als international tätiges Versicherungsunternehmen die Absicht gehabt, den Kunst-Preis europäisch zu verankern. Die internationale Verankerung des Preises stellt einen nicht zu unterschätzenden Mehrwert für die beiden Preisträgerinnen und Preisträger dar. Die Museen, mit denen die Baloise kooperiert, befinden sich in Ländern, in denen die Baloise mit einem Tochterunternehmen verankert ist. Seit mehreren Jahren sind unsere Partner das MUDAM (Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean) in Luxemburg und der Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart in Berlin.
Der Baloise Kunst-Preis wird während der Art Basel verliehen. Wegen der Absage der Art, erst im nächsten Jahr. Waren die Künstler/innen nicht bereits ausgesucht?
Wir wählen die beiden Preisträgerinnen oder Preisträger jeweils am Tag vor der Eröffnung der Art Basel im Sektor Art Statement aus. Am Eröffnungstag der Messe werden die beiden von der Messeleitung offiziell bekanntgegeben.
Falls die Art Basel erneut nicht stattfinden wird, findet der Baloise Kunst-Preis anderswo statt?
Wie alle Akteure in der Kunstwelt hoffe ich sehr, dass die Art Basel im Jahr 2021 wieder durchgeführt werden kann.
Die Kunstförderung der Baloise verfügt über ein jährliches Budget. Wie wird dieses eingesetzt?
Die Kunstförderung der Baloise ist dreiteilig: Wir sind in der glücklichen Lage über ein Budget für Ankäufe, eines für die Ausstellungen im Kunstforum Baloise und eines für die Durchführung des Baloise Kunst-Preises zu verfügen.
Im Kunstforum im Erdgeschoss des neuen Konzernsitzes wird die Baloise regelmässig Werke aus der Sammlung präsentieren. Erster Künstler ist der in Basel nicht unbekannte deutsche Künstler Thomas Schütte. Wie kam es dazu?
Die Baloise hat bereits 1998 Werke von Thomas Schütte für ihre Sammlung erworben. Seither haben wir sein Schaffen kontinuierlich verfolgt. Als es darum ging, ein Kunstwerk für den neugeschaffenen Baloise Park ins Auge zu fassen, stand der Name Thomas Schütte zuoberst auf unserer Wunschliste. Parallel zur Einweihung des «Dritten Tiers» im Baloise Park haben wir im September im neuen Kunstforum Baloise eine Ausstellung mit plastischen Arbeiten von Thomas Schütte eröffnet. Es ist ein faszinierender Dialog zwischen der monumentalen Plastik im Aussenraum und den Figuren und Köpfen im Ausstellungsraum entstanden. Die Ausstellung im neuen Kunstforum Baloise ist übrigens noch bis Ende April 2021 werktags frei zugänglich.
Die Skulptur «Drittes Tier» steht im Baloise Park und begrüsst die Vorbeigehenden mit einem sichtbaren Schnauben. Man hört, dass ein neuer Name gewählt wird.
Thomas Schütte hat seine Plastik «Drittes Tier» genannt, da es sich um seine dritte monumentale Darstellung eines Fabelwesens handelt. Verwaltungsratspräsident Andreas Burckhardt hat bei der Einweihung der Plastik von einem Basilisken gesprochen. Tatsache ist, dass das Mischwesen die Fantasie anregt. So können wir davon ausgehen, dass das Fabelwesen in nächster Zeit viele weitere Übernamen erhalten wird.
Die Kunstwerke, die überall zu sehen sind, sind alle zusammengerechnet sehr teuer, müssen versichert sein. Bei der Baloise?
Die mehr als 1500 Kunstwerke stellen einen erheblichen materiellen Wert dar. Umso wichtiger ist der sorgfältige und fachgerechte Umgang mit ihnen, damit die Kunstwerke auch in Zukunft die Mitarbeitenden der Baloise anregen und erfreuen können.
Zum Thema Versicherungen: Sie sind ein versierter Kurator, bekannt von grossen Ausstellungen (u.a. «Venedig: Von Canaletto und Turner bis Monet», 2008/09, und «Paul Gauguin», 2015, in der Fondation Beyeler), sind die hohen Versicherungswerte ein Hemmnis für die Realisierung grosser Ausstellungen?
Die Versicherungsprämie stellt heute bei grossen Ausstellungen oftmals einen beträchtlichen Teil des Ausstellungsbudgets dar. Versicherungsprämien von mehreren 100‘000 Franken können heute nur noch dank der Unterstützung von Stiftungen, Mäzenen und Sponsoren gestemmt werden.
Werden wichtige Kunstwerke auf Reisen von Kuratoren oder Restauratoren begleitet?
Wertvolle Kunstwerke werden heute fast immer von Kuratoren oder Restauratoren begleitet. Es handelt sich dabei auch um einen nicht zu unterschätzenden Kostenfaktor, da das leihnehmende Museum für alle Kosten, die damit verbunden sind, aufkommen muss.
Haben Sie selbst schon einmal ein Werk, zum Beispiel einen Picasso, auf dem Nebensitz im Flugzeug in ein Museum begleitet?
Ich durfte verschiedentlich Kunstwerke an ihren temporären Bestimmungsort begleiten. Da wertvolle Kunstwerke grundsätzlich in Klimakisten transportiert werden, verstaute ich jedoch die Bilder nicht auf dem Nebensitz…
Gibt es Unterschiede zwischen den Museen, wie mit Kunstwerken umgegangen wird? Also würde die Fondation Beyeler ein Kunstwerk eher nicht an das Museum XY leihen, obwohl die Versicherungskosten, etc. bezahlt werden?
Grundsätzlich läuft das Prozedere bei allen Leihanfragen gleich: Ein Museum, das eine Leihgabe erbittet, muss uns eine Vielzahl von Daten und Informationen zukommen lassen. Diese werden eingehend von den Fachleuten der Fondation Beyeler geprüft. Gleichzeitig macht sich die künstlerische Leitung Gedanken zur Relevanz des Ausstellungskonzepts, das der Leihanfrage beiliegt. Letztlich entscheidet eine Vielzahl von Faktoren darüber, ob ein Kunstwerk ausgeliehen wird. Jedes Museum hat zudem eine Sperrliste mit Kunstwerken, die aus konservatorischen Gründen nicht ausgeliehen werden dürfen.
Hatten Sie es auch schon mit Fälschungen zu tun?
Wo Kunst ist, sind auch Fälschungen. Das war schon immer so. Daher sollte man beim Erwerb von Kunstwerken mit Umsicht agieren. Glücklicherweise sind wir bis anhin bei der Baloise keiner Fälschung aufgesessen.
Vielen Dank für das interessante Gespräch.
Soeben ist eine Publikation über die Baloise-Sammlung erschienen. Es handelt sich um die erste Publikation der Sammlung. Sie vermittelt einen Überblick über die Sammlung und enthält auch eine Geschichte der Baloise Sammlung.
Ins Licht gerückt: Kunst bei der Baloise, Verlag Hatje Cantz, herausgegeben von Martin Schwander im Auftrag der Baloise. ISBN 978-3-7757-4641.0