Corona-Pandemie: Neue Versicherungsansätze zur Erholung der Wirtschaft

14. September 2020 | Aktuell
Bild: Yann Cœuru auf pxhere

Die ganze Welt sucht nach Lösungen um der Covid-19-Pandemie Herr zu werden. Im Vordergrund stehen Sorgen um die Volksgesundheit, aber auch ihre wirtschaftlichen Folgen. Die Schweizer Versicherungswirtschaft setzt auf einen Pandemiepool. Was tut sich in der britischen Hauptstadt bei Lloyd’s? 

Die COVID-19-Pandemie ist zu zu einer humanitären Krise unbekannten Ausmasses geworden. Niemand war wirklich darauf vorbereitet, nicht einmal die fortschrittlichsten Gremien unter den westlichen Staaten. Man hatte das Ganze schlicht und einfach unterschätzt. In den Schubladen mögen wohl Pandemiepläne gelegen haben. Genutzt haben sie wenig bis nichts, allesamt waren sie Papiertiger. Die Regierungen zeigten sich überfordert, sind es noch und werden es leider wohl noch lange Zeit bleiben.

Auch die Versicherungswirtschaft wurde zünftig auf dem falschem Fuss erwischt und beeilte sich ihre Verträge anzupassen. Den Pandemiepassus galt es schnurstracks aus den bestehenden Verträgen zu entfernen, um jegliche juristische Streitereien tunlichst zu vermeiden. Nach dem ersten, und hoffentlich einzigen, Lockdown heisst es nun langsam wieder «back to half normal». Der Bund reduziert Stück um Stück seine Zahlungen, Geschäfte geben ihr Bestes, nicht selten sogar ihr letztes Hemd.

Produkte sollen vor 2. Welle schützen 

Eine von Lloyd’s of London kürzlich durchgeführte Studie zeigt, dass die Kunden nun nach Produkten gieren, die sie auf lange Sicht vor einer allfälligen zweiten Welle der Corona-Pandemie schützen, sprich versichern sollen. Unter anderem bei Geschäftsunterbruch oder einem Handelskreditrisiko. Solche Modelle zu entwickeln ist jedoch komplex, wie die unerwartete Covid-19-Pandemie aufzeigte. Es ist für eine Gesellschaft in der Praxis unmöglich alle Auswirkungen alleine zu versichern, zu breit sind diese gefächert. Eine der erfolgversprechendsten Lösungen scheint derzeit die Pool-Zusammenarbeit zwischen Versicherern, Brokern, Kunden der globalen Versicherungsindustrie und dem Staat zu sein.

Kurzzeitige Massnahmen

Um den Prozess kurzzeitig voranzutreiben, schlägt Lloyd’s vor, dass sich die Versicherungen weltweit zusammen mit den jeweiligen Staaten zusammenzutun und auf diesem Weg Risikotransfermodelle anbieten. Wie in einzelnen Ländern bereits praktiziert, sollte es in allen Staaten implementiert werden. 

Mittelfristige Massnahmen

Ein Hauptaugenmerk muss auf die die Erhöhung der Resilienz der globalen Lieferketten gelegt werden. So sind zum Beispiel die Automobilindustrie, Fabrikation, Konsumenten-Elektronik und Lebensmittelindustrie sehr stark vom Shutdown des Warentransports abhängig.

Langfristige Massnahmen

Während sich die Gesellschaft zumindest derzeit langsam von den Covid-19-Auswirkungen zu erholen scheint, muss sie sich auf die nächsten Systemrisiken besser vorbereiten. Diese Risiken sind nur sehr schwer voraussagbar und benötigen enorme finanzielle Ressourcen. Gemäss Internationalem Währungsfond kosteten steuerliche Regierungs-Hilfspakete zur Pandemiehilfe bis Ende Mai 2020 global total 9 Billionen Dollar. Bis Ende dieses Jahres werden es sogar geschätzte 15 Billionen Dollar sein.

Die gesamte globale Versicherungsindustrie verfügt nicht über die Kapazitäten, um solche völlig unerwarteten und unvorhersehbaren Ereignisse – in englischsprachigen Ländern werden sie «Black Swans» genannt – alleine aufzufangen. Es braucht also nationale oder regionale Strukturen, nur solche können den vollen Schutz bieten.

Mögliche zu versichernde systemische Ereignisse

  • Risiken, die vom Staat ausgeschlossen werden 
  • Massive gesundheitliche Notfälle, welche Massenlockdowns verursachen und in einem signifikanten Rückgang der ökonomischen Aktivität und Einkommensverlust resultieren
  • Weit verbreiteter Ausfall der Telekommunikation
  • Ausfall bei der Nahrungsversorgung
  • Beschleunigter Klimawandel

Recover Re: Versicherung zur sofortigen Hilfe

Recover Re ist eine Versicherung, die «nach dem Ereignis» zum Zuge kommt, sofortige Hilfe und Deckung für Geschäftsunterbruch verspricht. Die Covid-19-Pandemie ist dabei langzeitig miteingeschlossen. Bei Realisierung könnte es ein effizienter Weg sein, um sowohl kommerzielle, wie staatliche Mittel in die Wirtschaft einzuspritzen und damit den Kunden mit limitierten finanziellen Möglichkeiten das (Über-) Leben zu ermöglichen. Dieses Modell könnte in jedem Land, wo Regierungen bereit sind Industrien zu unterstützen, kurzfristig eingeführt werden.

Lloyd’s of London

Vorteile für Kunden

  • Sofortige Liquiditätsspritze und Wiederherstellungsunterstützung über eine längere Zeitspanne
  • Hilfe bei Schäden unabhängigen Schliessung des Ladenlokals für allfällige kommende Pandemien und weitere systemische Ereignisse
  • Von Schäden unabhängige Deckung für spätere Wellen der Covid-Pandemien, für eine unbestimmte Zeitspanne

Die Rolle der Regierung: Die Exekutive sowie deren Behörden erteilen finanzielle Garantien für den Fall, dass die finanziellen Mittel der Industrie ausgehen, aber auch um Versicherern zu helfen, damit sie Policen ausstellen können, welche spätere Black Swan Ereignisse abdecken können. Es gibt verschiedene potentielle Möglichkeiten einer Kombination zur Deckung weiterer nationalen Risiken, zum Beispiel Poollösungen.

In der Schweiz wird noch bis Ende dieses Monats an einem Schlussbericht zu den Überlegungen, die Bundesrat Ueli Maurer beauftragt hat, gearbeitet. Dann soll ein Papier vorliegen. Wir sind gespannt.

Binci Heeb


Tags: #Coronapandemie #Resilienz #Versicherungslösungen