Demenz: Geissel des 21. Jahrhunderts?
1. April 2022 | Allgemein AktuellDie Fachzeitschrift «The Lancet Public Health» vom Januar dieses Jahres prognostiziert, dass die Zahl der Demenz-Erkrankungen während der nächsten drei Jahrzehnten fast auf das Dreifache ansteigen werde. Die massive Zunahme sei laut Studie neben dem Bevölkerungswachstum auf die höhere Alterserwartung der Menschen zurückzuführen.
Die Demenz gehört aktuell weltweit zur siebthäufigsten Todesursache. Dennoch können wir unser Gehirn dabei unterstützen, fit zu bleiben. Das Gehirn muss laufend mit ausreichend Nahrung versorgt werden. Neben Muskeln und Sehnen futtern nämlich auch die Gehirnwindungen zünftig Kalorien. Unser Denkapparat will zudem «geölt» werden. Mit altersgemässem Sport wie Spaziergängen in der Natur regelmässiger Zeitungslektüre und Memoryspiel kann da unterstützend nachgeholfen werden.
Doch damit ist es nicht getan. Zu den zahlreichen Demenz-Risikofaktoren gehören unter anderem die üblichen Verdächtigen: Rauchen, Fettleibigkeit, hoher Blutzucker und – leider wissenschaftlich belegt – geringe Bildung.
Gemäss einer weiteren The Lancet-Studie könnten rund 40 Prozent aller Demenzerkrankungen verhindert oder zumindest verzögert werden indem der Blutdruck gesenkt wird, man körperlich aktiv bleibt, man auf das Rauchen verzichtet und Alkohol meidet. Daneben kommt auch dem Schulrucksack eine grosse Bedeutung zu, da geistig aktive Menschen mit ihren kognitiven Reserven besser haushalten können. Eine gute Schlafqualität und ein aktives Sozialleben sind weitere Präventionsmassnahmen.
Während sich der Nationalrat deutlich für ein nationales Forschungsprogramm zur Alzheimer-Krankheit ausgesprochen hat, lehnte am 14. März 2022 die kleine Kammer die Motion von alt-Nationalrat Christoph Eymann ab. Alzheimer Schweiz, Swiss Memory Clinics und die Stiftung Synapsis bedauerten den Entscheid sehr, da nur ein einziges Projekt des Nationalen Forschungsprogramms «Gesundheitsversorgung» NFP74 auf Demenz ausgerichtet ist, jedoch nur auf Diagnoseerstellung fokussiert.
Demenz: Erlösung durch «neues» Alzheimer-Medikament?
In den USA ist das Medikament Aduhelm neu auf dem Markt. Vor über zwanzig Jahren an der Universität in ersten Grundzügen entwickelt, wir es nun in den USA verkauft. Es soll die Auswirkungen einer Demenzerkrankung nicht nur lindern, sondern die Gehirnfunktion sogar wieder verbessern. Da zwei bisher durchgeführte Studien allerdings widersprüchlich sind, wird dessen Wirkstoff Aducanumab, welcher vor über zwanzig Jahren an der Universität Zürich seinen Anfang nahm und in die USA verkauft wurde nun kontrovers diskutiert. Trotzdem wurde das Medikament am 7. Juni 2021 in den USA zugelassen, es wird jedoch aufgrund der hohen Kosten von gut 28 000 US Dollar jährlich nur in Ausnahmefällen verordnet.
Der Wirkstoff Aducanumab ist ursprünglich eine Entdeckung von Neurimmune AG in Schlieren (ZH). 2007 ging die Lizenz an die amerikanische Firma Biogen, die zusammen mit der japanischen Partnerfirma Eisai an der Entwicklung und Vermarktung arbeitet. Der Wirkstoff zielt auf für die Alzheimer-Krankheit charakteristischen Eiweiss-Ablagerungen. Weil Aducanumab diese für die Alzheimer-Krankheit spezifischen Ablagerungen im Gehirn abbauen kann, wird es von der Medizin angewendet. Aducanumab ist kein Wundermittel und kann die Alzheimer-Krankheit nicht heilen. Ob damit aber eine Stabilisierung oder gar eine Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit einher geht, ist wissenschaftlich nach wie vor umstritten.
Erhältlichkeit des Medikaments Adulhelm in der Schweiz
Das Medikament Aduhelm ist in der Schweiz noch immer nicht zugelassen. Zu den hohen Ausgaben von 28 200 US-Dollar pro Person und Jahr kommen in den USA erhebliche Zusatzkosten für die Voruntersuchungen zum Nachweis des Eiweisses Beta-Amyloid und weitere Begleituntersuchungen hinzu. Mitte April 2021 wurde beim schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic die Marktprüfung eingereicht.
Ob, für wen und wann das Medikament mit helvetischen Wurzeln auch in der Schweiz selber auch erhältlich sein wird, ist nicht zuletzt auch eine Frage der Vergütung. Damit die Krankenkassen die Kosten übernehmen, muss das Medikament in der Spezialitätenliste des Bundesamts für Gesundheit BAG aufgenommen werden. Beide Prozesse dauern jeweils mehrere Monate. Gegen eine Zulassung spricht, dass die Europäische Arzneimittelbehörde EMA dem Wirkstoff Aducanumab die Zulassung verweigert hat, weil der Nachweis für seine Wirksamkeit fehle.
Binci Heeb
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