Die Mühlen des BAG mahlen langsam

24. August 2020 | Aktuell
Bild von fernando zhiminaicela auf Pixabay

Privatwirtschaft und Staat sind in Bezug auf Reaktion und Aktion zwei Paar Schuhe: «It is how it is». Doch wir sind heute weit entfernt von normalen Zeiten. Es herrscht Pandemie. Wird jemand auf das Coronavirus SARS-Cov-2 getestet, liegt dem Labor bereits nach fünfzig Minuten das Resultat vor. Statt aber direkt zum Verdachtspatienten zu gelangen, bleibt das Resultat zunächst in den Fängen der Behörden hängen. 

Bundesämter haben nicht gerade den Ruf äusserst schnell, effizient und dynamisch zu sein. Das gilt auch für das Bundesamt für Gesundheit BAG. Es ist trotz der zu Beginn der Pandemie nach Aussen vorgegebenen Hektik, ein Amt mit all dessen Schwerfälligkeiten. Punkt. Es gilt Formulare auszufüllen, Prozesse zu durchlaufen und Bürostunden einzuhalten. Da bleibt gerne auch mal etwas liegen. Die Behörden haben die Privatwirtschaft und damit Konkurrenz in den seltensten Fällen zu fürchten. Herr und Frau Schweizer sind im Grossen und Ganzen geduldige Kundschaft.

BAG nicht für Corona aufgestellt

Weshalb sollte aber ausgerechnet das BAG die einzige Ausnahme sein? Weil das «G» für Gesundheit steht, die Gesundheit der Bevölkerung. Doch für einen Fall, wie das Coronavirus war man nicht gerüstet. Es fehlte die Unterstützung beim Risikomanagement. Seit März beispielsweise weiss man, dass Contact-Tracing, also die Nachverfolgung von Ansteckungsketten, eine der zentralsten Methoden zur Bekämpfung der Pandemie ist. Als Reaktion stellte man von Fax auf Excel-Tabellen um. 

Das klingt immerhin etwas fortschrittlicher. Aber Pflegefachkräfte, die den Coronatest durchführen und die Resultate in die Tabellen einfügen, beklagen, dass die Vorgaben ungenügend und viel zu kompliziert sind. So müssten u.a. jedes Mal zunächst die Tabellenfelder vergrössert werden. Es sei unhaltbar, wie viel Zeit (bis zu 15 Minuten pro Test) sie sich alleine mit solchen Problemen herumschlagen müssten.

So verwundere es auch kaum, dass es zu Fehlern, wie der falschen Todesmeldung kam. Das dem Personal zur Verfügung gestellte Material ist nicht zu gebrauchen. Ebenfalls unmöglich nachvollziehbar ist weiter, dass ein Testresultat, welches bereits fünfzig Minuten nach Probeentnahme dem Labor vorliegt, erst 24 bis 72 Stunden später der oder dem Getesteten mitgeteilt wird. Mit dem Contact Tracing könnte entscheidend früher begonnen werden, denn gerade da zählt jede Minute.

Während der gesamten Wartezeit bleibt die Patientin oder der Patient zu Hause und fehlt auf der Arbeit, wo der oder die Arbeitgebende die Kosten wie Lohnfortzahlung, Stellvertretung und Umsatzausfall tragen muss. Derweil darf sich der Arbeitgebende ebenfalls überlegen, ob er die anderen Mitarbeitenden, welche im engen Kontakt mit der möglichen Coronapatientin oder dem möglichen Coronapatienten waren, ebenfalls bis zum Testergebnis nach Hause schickt.

Beispiel Baltikum

Estland, Litauen und Lettland machen es in Sachen Digitalisierung längst vor. Dort existiert kein digitaler Meldestau wie hierzulande. In Litauen wurde zum Beispiel bereits vor Jahren ein digitales Meldesystem zum Infektionsschutz eingeführt. Im Frühjahr dieses Jahres wurden in Zusammenarbeit mit einem IT-Unternehmen und staatlichen Stellen als Reaktion auf Corona weitere Features programmiert.

Damit werden die Datenflüsse zwischen verschiedenen staatlichen Behörden und öffentlichen Institutionen gebündelt, analysiert und der Öffentlichkeit per SMS oder Messenger-Dienst zugänglich gemacht. Denn gebündelte Datenflüsse ermöglichen schnellere Reaktionen und sehr viel Zeit wird gewonnen.

BAG muss Administration, Labors und Hausärzte deutlich stärker unterstützen

Um die Abläufe zu beschleunigen und mit dem Contact Tracing früher zu beginnen, wäre die finanzielle Unterstützung durch das BAG bei der Administration, den Labors und den Hausärzten dringend nötig. Hier handelt es sich um reines Risikomanagement, welches, richtig angewandt, schnell effektive Resultate bringen würde.

Der seit dem 1. April tätige Digitalchef des BAG, Sang-Il Kim, ist nicht nur Radiologe und damit einer der wenigen Ärzte in diesem Departement, sondern auch Informatiker. Damit besitzt er also beste Voraussetzungen, dieses Problem rasch zu lösen. Bei der SwissCovid App hat er bereits gezeigt, wie es geht.

Es darf nicht sein, dass eine schwerfällige Excel-Tabelle der Weisheit letzter Schluss des Bundesamtes für Gesundheit BAG ist auf die sofort übertragbare Ansteckungsgefahr von Betroffenen an Dritte bei der gefährlichsten Pandemie seit der Spanischen Grippe vor hundert Jahren.

Binci Heeb


Tags: #BAG #Contact-Tracing #Coronavirus-Test #Pandemie #Risikomanagement #SwissCovid App