Erdbebenversicherung: Schutz gegen die unterschätzte Gefahr

22. Juni 2020 | Aktuell
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Bild: Angelo Giordano auf pixabay

Schwere Erdbeben sind Realität, keine Hollywooderfindung. Jederzeit, überall und gerade auch hier. Doch diese enorme Gefahr wird von weiten Teilen der Bevölkerung erfolgreich verdrängt, selbst wenn Wissenschaft und Staat nicht müde werden davor zu warnen. Katastrophen halten sich weder an Drehbücher noch Terminpläne. Verdrängen ist keine Lösung, COVID-19 der Beweis. 

Die Fakten: statistisch gesehen muss in unserem unmittelbaren Lebensraum alle 50 – 150 Jahre mit einem Erdbeben der Stärke von 5.8 Magnituden gerechnet werden, was laut dem Schweizerischen Erdbebendienst einem katastrophalen Ereignis entspricht. Im Rhythmus von ca. 8 – 15 Jahre ist mit einem Beben einer Magnitude 5 zu rechnen. Beispiel Wallis. Freitagabend 15. Januar 1946, Sierre. Zu jener Zeit noch dünn besiedelt. Der Boden bebte, die Menschen stürzten auf die Strassen, viele schafften es nicht mehr. Zahlreiche Verletzte, vier Todesopfer, 3’500 zerstörte Häuser in der damals kleinen Stadt. Auch mehrere andere Kantone, z.B. Graubünden wird alle 30 bis 40 Jahre von einem Erdbeben heimgesucht. Das letzte schadenbringende Ereignis mit namhaften Gebäudeschäden dort traf die Gemeinde Vaz 1991.

Laut dem Schweizerischen Erdbebendienst ist das Wallis die Region mit der höchsten Gefährdung (342’00 Einwohner), gefolgt von beiden Basel (knapp eine halbe Million Menschen!), Graubünden, dem St. Galler Rheintal, der Zentral- und übrigen Schweiz. Regionen ganz ohne Erdbebengefährdung gibt es in der Schweiz nicht.

Um noch einmal die Statistik der Seismologen zu bemühen, das nächste Grossereignis in der Metropole Basel und Umgebung im Süden der oberrheinischen Tiefebene ist nur eine Frage der Zeit. Erdbebengefährdung Schweiz

Viele Eigentümer sind der Meinung, dass sie mit ihrer Elementarschaden- oder Gebäudeversicherung automatisch gegen Erdbeben versichert seien. Ein folgenschwerer Irrtum.

Viele Eigentümer sind der Meinung, dass sie mit ihrer Elementarschaden- oder Gebäudeversicherung automatisch gegen Erdbeben versichert seien. Ein folgenschwerer Irrtum. Nur ca. 5 Prozent der Liegenschaften in der Nordwestschweiz sind gemäss einem Bericht der Schweiz am Sonntag gegen Erdbeben versichert.

Schutz durch Versicherung: ein Überblick

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Axa Versicherung

Bietet Erdbebenversicherung mit tiefem Selbstbehalt (2,5 oder 10 Prozent wählbar. Gebäudeschäden infolge eines Erdbebens sind immer gedeckt, unabhängig der Stärke des Bebens. Axa bietet die Erdbebenversicherung jedoch nur an, wenn auch die Wasserschadendeckung für das versichernde Objekt beim Unternehmen abgeschlossen wird.

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Basler Versicherung

Die Basler Versicherung weist ausdrücklich darauf hin, dass Erdbeben durch die Gebäudenversicherung nicht obligatorisch gedeckt sind. Hausbesitzer müssen das Risiko sowie die Folgekosten im Schadenfall selber tragen. Deshalb bietet sie an, Erdbebenversicherung zu jeder bestehender Gebäudeverischerung abzuschliessen. Gedeckt sind generelle Schäden, die durch Zerstörung, Beschädigung oder Abhandenkommen als Folge von Erdbeben entstehen.

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Generali Versicherung

Deckt in der Gebäudeversicherung auf Wunsch auch Erdbeben als Zusatzdeckung ab. Hier wird bei allfälligem Interesse der direkte Kontakt mit der Generalagentur empfohlen.

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Helvetia Versicherung

Seit 2018 werden alle Gebäude und Objekte im STWE bis zu einem Neuwert von 5 Millionen Franken, die von der BLKB durch eine Hypothek oder einen Baukredit mitfinanziert werden automatisch gegen Erdbeben versichert. Versicherungspartner sind dabei ferner die Basler sowie die Swiss Re. Somit ist auch das Eigenkapital des Eigentümers der Liegenschaft versichert. Die Eigentümer tragen einen Selbstbehalt von 7.5 Prozent des Gebäudewerts, mindestens aber 25’000 Franken.
Helvetia bietet über eine Zusatzversicherung Schutz vor weiteren Risiken wie Betriebsunterbrechung, Aufräumarbeiten und – zeitlich beschränkt – Mietertragsausfall.

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RMS Erdbeben Risk (Lloyd’s)

RMS war mit ihrem Partner Lloyd’s der erste und bis heute wohl bekannteste Anbieter von Erdbebenversicherungen in der Schweiz. Erdbeben Risk bietet privaten Haushalten, Unternehmen sowie öffentlichen und privaten Instutitionen die Möglichkeit, sich gegen die wirtschaftlichen Folgen eines Erdbebens zu versichern. Dies auch im Hinblick auf die Folgerisiken wie Brand, Lebenshaltungskosten, Abbruch- und Aufräumkosten, Plünderung und Mietzinsausfall.
Dieser Versicherer nimmt nicht nur Gebäude in der Schweiz in Deckung, sondern auch im Ausland und verteilt so das Garantie- Risiko auf die ganze Welt.

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Zürich Versicherung

Wäre ein Beben so heftig wie jenes anno 1356 in Basel, würde dieses heute in derselben Region bis zu 2’000 Tote fordern und Gebäude- und Mobiliarschäden von 50 bis 100 Milliarden Franken verursachen. Versichert über den solidarischen Erdbebenpool sind gesamtschweizerisch zurzeit nur gut 3 Milliarden Franken.
Deshalb wird eine Erdbebenversicherung von Zürich nicht einzeln angeboten, sondern nur in Zusammenhang mit einer bei ihr abgeschlossenen Gebäudeversicherung.

Nachgefragt:

Bei der Prämienhöhe dieser 6 Versicherungen fällt eine aus dem Rahmen. Die RMS ist deutlich teurer als alle anderen Versicherer. Grund genug Bruno Kopp, Geschäftsführer, nach den Anlässen zu fragen.

Herr Kopp, weshalb sind Ihre Prämien deutlich teurer als die Ihrer Konkurrenten?

Die Lloyd’s Versicherer sind erfahrene Katastrophenversicherer und haben in der Vergangenheit bereits Erdbebenschäden bezahlt. Die Versicherer verfügen über ein A-Rating bezüglich Leistungsfähigkeit. Bewertet wird, ob die Versicherer in der Lage sind, im Schaden die volle Kapazität leisten zu können. Wir schätzen das mögliche Schadenausmass wesentlich höher ein als die lokalen Versicherer. Wir gehen davon aus, dass das Total der bei uns versicherten Schäden 50 Prozent der eingegangenen Verpflichtungen ausmachen wird. Andere Versicherer schätzen das mit 20 Prozent ein. Entsprechend kleiner werden die Prämien kalkuliert. Wenn die Versicherer noch eine Katastrophenlimite vereinbart haben, und diese aufgrund falscher Einschätzungen zu tief festgesetzt worden ist, kann dies für den einzelnen katastrophale Folgen haben denn der/die Versicherte nur den halben Schaden entschädigt erhält. Die Lloyd’s Versicherer fragen uns stets bei der Erneuerung, ob sie eine Katastrophenlimite fixieren dürften, wenn wir sie auf die Prämienunterschiede ansprechen. Das wollen wir aber nicht. Auch den Ausschluss wegen künstlicher Erdbeben konnten wir erfolgreich für unsere Kunden abwehren. RMS hat einen Notfallplan. Alle Versicherten Daten sind in Paris und London separat gesichert. Die Newsletter und Mittelungsbriefe als auch Pressemitteilungen sind vorbereitet und können umgehend versandt werden. Für das Schadenszenario ist ein Schadendienst aufgebaut, der die Kunden beim Wiederaufbau begleitet.

Welche Vorteile bietet bei Ihrer Erdbebenversicherung die Partnerschaft mit Lloyd’s?

Hierzu ist hauptsächlich die Security zu erwähnen. Die hinter dem Produkt stehenden Versicherer, es sind mehrere, weil wir die Risiken schon in der Erstversicherung in Quoten aufteilen, sind allesamt erfahren in der Zahlung von Erdbebenschäden. Sie kennen das Risiko auch bezügliche Abwicklung. In unserem Produkt sind wir in der Lage etliche Zusatzversicherungen einzuschliessen oder sind bereits standardmässig mitversichert.

Eine letzte Frage, die sich in der jetzigen Zeit aber natürlich aufdrängt: denkt die Branche an eine Pandemieversicherung?

Ja wir sind wieder soweit. Die Branche kann nicht genug aufstöhnen und die Unversicherbarkeit von Pandemien in den Vordergrund heben. Zu dieser Aussage erhalten die Versicherer prominente Unterstützung durch das Schweizerische Versicherungsinstitut in St. Gallen, siehe dazu auch den Gastkommentar in der NZZ vom 11.5.2020, Braun.

Genau so argumentierte die Versicherungswirtschaft zur Versicherbarkeit von Erdbeben was mich zur Entwicklung der ersten Erbebenversicherung inspirierte. Im Moment ist die Lust auf Pandemie-Versicherungen wohl nicht so gross. Von Unversicherbarkeit zu sprechen halte ich für falsch. Es gibt ja nicht nur den geographischen Risikoausgleich, sondern auch den zeitlichen. Genauso, wie wir es beim Erdbeben kennen. Es gäbe Möglichkeiten von CAT-Bonds, ein Feld für Swiss Re, oder eben für Lloyd’s of London.

Ob ich den Lloyd’s Markt dazu bewegen kann? Und werden die zu versichernden KMU einer Prämie von 3 Prozent des Umsatzes zustimmen, auch wenn COVID19 längst vergessen ist?

Binci Heeb


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