Homöopathie: Wirkungslose «Medizin» bezahlt von uns allen
18. November 2022 | Aktuell AllgemeinSeit dem 1. August 2017 wird Komplementärmedizin – darunter als wichtiger Player die Homöopathie – durch den Leistungskatalog der Schweizerischen Grundversicherung vergütet. Seither ist sie den übrigen ärztlichen Leistungen gleichgesetzt. Die klassische Homöopathie zusammen mit Akupunktur, Arzneimitteltherapie der Traditionellen Chinesischen Medizin und Phytotherapie haben Kassen und der Staat zu übernehmen. In einzelnen Bereichen der alternativen Behandlung durchaus zu Recht. Doch weshalb gehört die Homöopathie, der von der Wissenschaft weltweit ausnahmslos höchstens ein reiner Placeboeffekt bescheinigt wird, dazu?
Wo kein Wirkstoff, da keine Wirkung, lautet ein zentrales Argument der Homöopathie-Kritik. Tatsächlich geben auch Vertreter der Homöopathie zu, dass es bisher nicht gelungen ist, einen pharmakologischen oder physikalischen Wirkmechanismus zu beschreiben, der eine Wirkung über die Potenzierung erklären könnte. Die verwendeten Substanzen in homöopathischen Mitteln sind so stark verdünnt (potenziert), dass in den Tröpfchen oder Globuli kein einziges Atom von ihnen mehr übrig ist. Ohne Wirkstoff aber keine Wirkung.
Einmal Homöopath, immer Homöopath?
Im Gegensatz zum Beispiel zu unserem Nachbarn Deutschland, wo die Grundversicherung grundsätzlich keine Kosten für homöopathische Produkte sowie Therapien akzeptiert und die Berufsbezeichnung ohne Hinweis auf ein abgeschlossenes Studium als Arzt in Humanmedizin oder zertifizierte Ausbildung der Naturheilkunde nachweisen kann, existiert in der Schweiz ein gesetzlicher Rahmen, der zeitaufwendig und nicht billig ist. Doch lohnend für die angehenden Spezialisten.
Denn egal, wie lange eine Behandlung dauert oder kostet, es gibt für den Einsatz von Homöopathie, bis auf eine wichtige Ausnahme, keinerlei grundsätzliche Beschränkungen. Doch die Ausnahme hat es in sich: Voraussetzung für eine Kostenübernahme ist nur gegeben, wenn der gewählte Arzt oder Ärztin über eine der zahlreichen anerkannten Zusatzausbildungen verfügt und den zusätzlichen Titel Dipl. Naturheilpraktiker/-in mit eidg. Diplom in Homöopathie trägt. Erst dann kann die Behandlung bei der Grundversicherung geltend gemacht werden. Der nicht geschützte, isolierte Titel Homöopath allein reicht nicht für die Kostenübernahme. Eine Fachausbildung zum Homöopathen oder zur Homöopathin dauert berufsbegleitend zwischen drei bis fünf Jahre und kostet locker über 30‘000 Franken, dabei zahlt der Bund bei der Anmeldung zur HFP mehr als 10‘000 Franken an die Kurse.
Zusatzversicherung
Falls die Grundversicherung einige homöopathische Therapien nicht übernimmt, kann eine Zusatzversicherung abgeschlossen werden. Diese zahlt, von Kasse zu Kasse unterschiedlich, je nachdem sogar Therapien von Medizinern ohne Zusatzausbildung. Hier lohnt es sich, genau abzuklären, welche konkreten Therapieformen von der Kostenübernahme abgelehnt werden.
Geschichte der Homöopathie
Begründet wurde die Homöopathie (aus dem Griechischen, lässt sich am besten mit «ähnliches Leiden» übersetzen) durch den deutschen Arzt Samuel Hahnemann 1796, erstmals angewendet hat er sie zwischen 1801 und 1803. In seiner Vorstellung ist für die Behandlung ein Arzneimittel anzuwenden, das in höherer Konzentration an Gesunden ähnliche Symptome hervorruft, wie die Krankheit. Damit ist das Ähnlichkeitsprinzip gemeint, wobei Ähnliches durch Ähnliches geheilt werden soll. 1810 veröffentlichte er das Grundlagenwerk zur Homöopathie «Organon der Heilkunst» erstmals, welches er in den Folgejahren erheblich überarbeiten sollte. Hahnemann starb 1843 in Paris.
Potenzierung = Dynamisierung durch starke Verdünnung , Verschütteln und Verreiben
Samuel Hahnemann behauptete, dass durch die Verdünnung eines Wirkstoffs eine höhere und langfristigere Wirksamkeit der eingesetzten Lösung erzielt werde. Er sprach von einer Dynamisierung der Lösung durch Verdünnung und Verschüttelung, beziehungsweise von einer Potenzierung. Im Laufe der Zeit steigerte er den Grad der Potenzierung und versprach bessere Behandlungserfolge. Es werden Lösungen unterschiedlicher Potenzen durch Verdünnung angefertigt.
Eine C1 Potenz bedeutet beispielsweise: 1 Tropfen wird mit 100 Tropfen Lösungsmittel verdünnt und zuerst zehnmal durch Klopfen auf eine weiche Unterlage verschüttelt. Sie ergibt eine 1:100 C-Potenz. Bei einer C2 Potenz wird 1 Tropfen der C1 Lösung mit weiteren 100 Tropfen verdünnt und erneut zehnmal verschüttelt, was 1:10 000 ergibt. So geht es weiter bis zum oft genannten, erreichbaren Volumen der homöopathischen Substanz von einem einzigen Tropfen in allen Weltmeeren zusammen. Doch schon bei wesentlich tieferen Potenzierungen ist selbst mit modernster Technik der ursprüngliche, sogenannte Wirkstoff längst nicht mehr messbar. Für eine durch Forscher belegte Studie, die eine heilende Wirkung der Homöopathie belegt, ist seit langer Zeit ein hoher Geldbetrag ausgesetzt. Bisher ohne Erfolg.
Seit 1796, also seit weit über 200 Jahren, halten sich streng überzeugte Anhänger der Homöopathie strikte an die Vorgaben des Erfinders. Und dies, obwohl selbst die seriösesten Forscher bis heute, wie erwähnt, weltweit keinen einzigen wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit dieser Methode finden konnten. Im Gegenteil. Wer sich bei schweren Erkrankungen nicht auf die Humanmedizin verlässt, riskiert sein Leben.
Weshalb nicht längst aus der bezahlten Komplementärliste gestrichen?
Die Zahlen täuschen: Auch wenn sich die vergüteten Kosten in der Schweiz für homöopathische Leistungen 2021 «nur» im zweistelligen Millionenbereich befanden, gehört die Homöopathie aus dem Leistungskatalog längst gestrichen. Es kann und darf nicht sein, dass der Staat über seine Grundversicherung Produkte verkauft, die zwar keine Wirkung haben, aber durch dessen Kostenübernahme der Eindruck entsteht, es müsse sich dadurch um sinnvolle Medikamente handeln. Die unbestritten hilfreich oder dringend nötige Brille bezahlt der Patient jedoch selber. Was für ein enormer Widerspruch.
Glaube versetzt Berge
thebroker.ch ist sich bewusst, mit dieser gnadenlosen Bestandsaufnahme die Gefühle einer ansehnlichen Gruppe von Lesern zu verletzen. Dafür bitten wir aufrichtig um Entschuldigung. Nur, dass die als Medikamente verkauften Globuli (Zuckerkügelchen) nicht mehr als Placebo sind, ist nun einmal Fakt. Aber selbst Placebos können bis zu einem gewissen Punkt durchaus eine positive Wirkung haben: Wenn man daran glaubt. Wer bei Kopfschmerzen lieber zu einem homöopathischen Produkt als zur Chemie greift und dabei eine Besserung verspürt, hat sich richtig entschieden und gehört nicht im Ansatz zu den missionarischen Querdenkern. Zumal sie, bei einem Beinbruch oder Blinddarmentzündung, mit Sicherheit nicht erste Hilfe in der Homöopathie suchen.
Binci Heeb
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