Klimawandel: Verrückter Sommer, wie sind Hagel- und Unwetterschäden versichert?

2. Juli 2021 | Aktuell
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In den vergangenen Wochen waren zahlreiche Regionen der Schweiz von schwerem Hagelschlag, Starkregen und lokalen Stürmen betroffen. Die Schäden an versicherten Kulturen betragen laut der Schweizerischen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft bereits rund 18 Millionen Franken.

Seit Tagen entleeren sich ungewohnt heftige Gewitter über der Schweiz, meist begleitet von starkem Hagel, teilweise mit Körnern in der Grösse von Golfbällen sowie Blitz und Donner. Sturzbäche aus Schlamm und Wasser, u.a. in den Dörfern Cressier und Frochaux in der Westschweiz, haben Schlagzeilen gemacht. Alleine die Neuenburger Regierung rechnet mit Kosten von mehreren Dutzend Millionen Franken. Einer der bisher in unseren Breitengraden nahezu unbekannten Tornados riss in der französischen Gemeinde Verrières-de-Joux, direkt an der Schweizer Grenze, ein Hausdach weg.

Auch die Deutschschweiz, zum Beispiel das Baselbiet und Zürich waren betroffen; zahlreiche Gemeinden wurden verwüstet. Schlamm lag auf den Strassen, Keller und Heizungsräume standen unter Wasser. Innerhalb von einer Stunde wurden 83 Millimeter Niederschlag gemessen. Polizei und Feuerwehr standen im Dauereinsatz, mussten Keller auspumpen, Schutt und Geröll wegräumen. 800 Schadensmeldungen gingen bei der Basellandschaftlichen Gebäudeversicherung ein, die von einem vorläufigen Schadenvolumen von gegen acht Millionen Franken ausgeht und wegen der Unwetter angepasste Öffnungszeiten bereits ab 7.30 Uhr morgens anbietet.

Die Schweizerische Hagel-Versicherungs-Gesellschaft erwartet bisher mehr als 8 500 Schadenmeldungen mit einem Schadenwert von 62 Millionen Franken aus den Regionen Aargau, Waadt, Freiburg, Neuenburg, Jura, Bern, Luzern, Zug und Zürich für die Tage zwischen dem 18. und 28. Juni. Vor allem Ackerkulturen, Gemüse, Gärtnereien, Grasland, Obst, Beeren und Tabak sind betroffen.

Keine ernsthaften Zweifel mehr am Klimawandel

Nicht nur unter Fachleuten ist unbestritten, dass die von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen für den Klimawandel verantwortlich sind. Ohne Gegenmassnahmen werden die Emissionen mit der wachsenden Weltbevölkerung und dem steigenden Energiebedarf weiter zunehmen. Einmal emittierte Klimagase verweilen mehrere Jahrhunderte in der Atmosphäre und heizen das Klima weiter auf. Selbst die strengsten Schutzmassnahmen lassen den Klimawandel nicht mehr aufhalten, nur noch begrenzen.

Wetterextreme wie Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen oder Stürme hat es natürlich schon immer gegeben. Neu ist, dass solche Extreme in immer kürzeren Abständen öfter und massiv stärker ausfallen. Dies zeigte sich selbst für alle Skeptiker unbestreitbar im vergangenen Jahrzehnt. Die ernste Entwicklung hat bereits unmittelbare, negative Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit vieler Menschen. Dies ausgerechnet in den Ländern, welche ohnehin über die wenigsten Ressourcen verfügen, um der Bedrohung durch Hunger etwas entgegenzusetzen. Daraus erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Konflikte, starke Migration und politische Instabilität.

Fakt ist auch, dass unsere Sommer im Vergleich zu vor dreissig Jahren um zwei Grad wärmer wurden. Eine warme Atmosphäre kann wiederum mehr Feuchtigkeit aufnehmen, was die Voraussetzung für Gewitter bedeutet. In der Folge fallen diese Unwetter zunehmend extremer aus.

Der ETH-Klimaforscher und Hauptautor des Berichts UNO-WeltklimaratsReto Knuttli, sprach bereits 2019 in einem Interview mit dem Magazin für eine nachhaltige (Energie-)Zukunft powernez davon, dass sich die Erde bis Ende des Jahrhunderts, ohne sofortige Massnahmen, um weltweit weitere fünf Grad erwärmen werde. In der Schweiz wäre sogar mit sechs bis sieben Grad mehr zu rechnen. Die Differenz mag für den Laien nicht alarmierend tönen, doch als Vergleich zieht er minus fünf Grad heran, die weltweit während der letzten Eiszeit herrschten und Zweidrittel der Schweiz von Eis bedeckten. Der Physiker warnt eindringlich vor anstehenden dramatischen Veränderungen.

Was heute tun im Schadenfall?

Sollte der Hagel Objekte beschädigt haben, müssen diese gerettet, getrocknet, gereinigt, restauriert oder ersetzt werden. Eine Schadenliste sowie Fotos mit allen betroffenen Objekten ist zu erstellen. Teure Objekte, ab circa tausend Franken, werden von einem Schadenexperten begutachtet. Dies gilt in der Regel nicht für verderbliche und günstigere Gegenstände. Nach dem Schadenereignis sollte auch der Aufwand für die Reinigungs- und Entsorgungsarbeiten erfasst werden.

Und wer zahlt im Schadenfall?

In der Schweiz regiert auch hier der «Kantönligeist». Je nach Gebiet werden unterschiedlichste Versicherungen bei Hagel- oder Sturmschäden zur Kasse gebeten. In 19 Kantonen haftet automatisch die obligatorische Gebäudeversicherung für Schäden am Gebäude, die durch Feuer und Elementarereignisse entstehen. In den anderen «Gustavo-Kantonen» (GE, UR, SZ, TI, AI, VS, OW) übernehmen private Versicherer die Gebäudeversicherung, doch nur wenn eine solche auch abgeschlossen wurde. Die Hausratversicherung haftet nur für Schäden an Garten, Treib- oder Schrebergartenhäuschen. Sie ersetzt Haushaltsgegenstände im Schadenfall sogar zum Neuwert, vorausgesetzt die Versicherungssumme wurde entsprechend abgeschlossen.

Eine Umgebungsversicherung wiederum kommt für Lädierungen am Garten und der Gebäudeumgebung auf. Damit können Schäden durch Stürme, Feuer oder Überschwemmung versichert werden, die durch die Hausrat- oder Gebäudeversicherung nicht gedeckt sind. Mit der Hagelversicherung schliesslich sind landwirtschaftliche oder gewerbliche Pflanzenkulturen oder Pflanzen im Garten resp. Schrebergarten geschützt. Schäden an Fahrzeugen, zum Beispiel durch Hagel, werden von der Teilkasko-Versicherung übernommen.

Hagelschäden gelten als Elementarschaden. Deshalb müssen sie immer dann versichert werden, wenn eine Feuerversicherung abgeschlossen wird. Die meisten Versicherer in der Schweiz sind im Schweizerischen Elementarschadenpool angeschlossen und zahlen die Schäden gemeinsam. Das heisst aber auch, dass die Bestimmungen der Elementarschadenversicherung gelten, insbesondere der obligatorische Selbstbehalt. Insbesondere bei Betrieben gelten die Verpflichtungen für im Freien stehende Objekte und Güter, wie beispielsweise Zelte, Fahrnisbauten oder Photovoltaik-Anlagen. Diese Objekte müssen speziell versichert werden.

Die Versicherer rechnen derzeit wegen der Unwetter mit einer Schadenssumme von mindestens 260 Millionen Franken. Seit dem Frühsommer (2021) wurden bereits mehrere zehntausend Schäden gemeldet. Vor allem die Hagelschäden an Fahrzeugen gehen ins Geld. Wegen des hohen Schadenaufkommens haben einige Versicherungen mobile Hagel-Drive-ins errichtet. Die Axa verfügt zudem über einen Hagelscanner.

Wie schlimm ist alles tatsächlich?

Zynische Stimmen sehen im Klimawandel kein Desaster: schliesslich wird es ja wärmer und nicht umgekehrt. Doch in Wirklichkeit wissen auch sie längst um die sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der sich weltweit anbahnenden Katastrophe. Dagegen kann man sich wehren. Privat dank Versicherungen, als Weltbürger durch eine ökologisch sinnvollere Lebensweise, was übrigens nicht gleich nur nach Verzicht und Einschränkungen schreit. Orientierungshilfe findet sich bei seriösen Wissenschaftlern. Das Gebot der Stunde heisst «Eigenverantwortung».   

Binci Heeb


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