Kunstversicherung oder die Kunst des Versicherns

15. Januar 2021 | Aktuell
Sonderausstellung im Museum Wallraff im Dez. 2016 «Von Dürer bis van Gogh: Sammlung Bührle trifft Wallraf» © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Ob Museen, private Kunstsammlungen oder Haushalte, alle sind gut beraten, ihr kostbares Gut genügend zu versichern. Der Wert der weltweit vorhandenen Kunst beträgt schätzungsweise 3,8 Billionen Dollar.

Die Nordstern Versicherung, später AXA ART und seit 2020 AXA XL, amerikanische Tochtergesellschaft des globalen Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmens Axa, war der erste Anbieter von Kunstversicherungen. Zu den grössten, globalen Kunstassekuranzen gehört unter anderem auch Lloyd’s of London.

Nachdem der umsatzstärkste Kunstversicherer der Schweiz, die Nationale Suisse, 2015 in die Helvetia integriert wurde, führte diese unter dem Namen Kunstversicherung Artas das Geschäftsfeld erfolgreich weiter. Ihre All Risk Versicherung bietet Eigentümern von Kunstwerken finanziellen Schutz gegen einfachen Diebstahl über Transportschäden bis hin zur Zerstörung. Ebenfalls versichert sind unvorhersehbare Ereignisse, zum Beispiel das sofortige Ändern von Alarmsystemen bei Schlüsselverlust.

Laut der deutschen Fachzeitschrift RESTAURO in ihrer jüngsten Ausgabe (1/2021) steigen, bei einem Wert von ungefähr 3,8 Billionen Dollar der weltweit vorhandenen Kunst, auch die Einnahmen der Kunstversicherer. Die Rekordpreise für Exponate lassen die die Prämien steigen. Je höher der Wert eines zu versichernden Kunstobjekts, desto eher ist eine eigene, zusätzliche Kunstversicherung sinnvoll, da die gewöhnliche Hausratsversicherung solche Werke nicht zu versichern vermag. 

Wie bestimmt sich der Versicherungswert von Kunst?

Der Versicherungswert von Kunstgegenständen richtet sich nach derem aktuellen Marktwert. Es gilt der Wiederbeschaffungswert für ein Objekt gleicher Güte. Einen Wertnachweis können professionelle Kunstsachverständige, die zum Beispiel für die gossen Auktionshäuser Christie’s oder Sotheby’s Expertisen vornehmen, ausstellen. In diesem Zusammenhang und wegen möglicher Steuerhinterziehung, sauberer Herkunft sowie dem Ausschluss von Geldwäscherei, muss auch ein Besitzernachweis vorliegen. Schätzungen im tieferen Segment führen auch renommierte Galeristen durch, hier vermitteln die Versicherungen von ihnen akzeptierte Kontakte.

«Irgendwann…» – so ein Zitat des grossen Sammlers und Mäzen Ernst Beyeler «…landet jedes wirklich bedeutende Werk in einer öffentlichen Sammlung». Doch noch ist ein grosser Teil der bedeutendsten Exponate in privater Hand. Schlagzeilen macht an dieser Stelle der Kunstsammler und Hotelbesitzer (Dolder Zürich) Urs Schwarzenbach, welcher der Zolldirektion Zürich rund elf Millionen Franken Einfuhrsteuern und 2,5 Millionen Franken Zinsen für nicht korrekt versteuerte Kunstwerke schuldet. Seine Beschwerde vor Bundesgericht wurde im vergangenen Dezember abgewiesen. Weitere Verfahren sind noch hängig.

Keine Staatshaftung bei staatlich finanzierten Museen in der Schweiz

Schweizer Museen müssen die Versicherungskosten bei Leihgaben selber übernehmen. Diese sind oft exorbitant und erschweren es den Häusern, sich heute noch grosse Ausstellungen leisten zu können. Etwa 40 Prozent einer solchen Präsentation wird normalerweise für Versicherungsprämien fällig. Die meisten Länder der Welt, ausgerechnet die Schweiz gehört nicht dazu, verfügen über eine Staatshaftungs-Regelung beim internationalen Leihverkehr ihrer mit öffentlichen Mitteln finanzierten kulturellen Institutionen.

Anlässlich der Einführung des Kulturförderungsgesetzes 2012 entschied sich der schweizer Gesetzgeber – entgegen den Forderungen der Museumsdirektoren – für eine Alternativlösung. Demnach kann der Bund jährlich einen Beitrag – 2017 waren es zum Beispiel 450’000 Franken – an die Versicherungsprämien für Leihgaben von Kunstwerken an Museen Dritter leisten. Die Begründung liest sich umständlich: Im Bericht des Bundesamtes für Kultur BAK zur Prüfung einer «Staatsgarantie» des Bundes für Kunstwerke im Leihverkehr zwischen Museen aus dem Jahr 2016 kommt das BAK zum Schluss, dass das aktuelle Modell der Finanzhilfen an Versicherungsprämien zielführender als die Einführung einer «Staatsgarantie» sei.

Wie sind Kunstwerke in Schweizer Museen versichert?

Auf die Frage von thebroker, ob alle Kunstwerke in einem der bedeutenden Museen der Schweiz versichert seien, antwortet man uns von verlässlicher Seite mit der Bitte um Anonymität: «Die meisten Sammlungen werden mit einer sogenannten Erstrisikoversicherung versichert, das heisst nicht nach individuellem Wert eines Kunstwerks, sondern die Gesamtsumme eines möglichen Schadens. Die Höhe dieser Summe ist sehr unterschiedlich». An einer Police seien fast immer mehrere Versicherungen beteiligt, von denen eine im Auftrag der anderen jeweils die Federführung übernehme. Leihgaben an Ausstellungen würden über den ganzen Wert versichert. Im Fachjargon wird dies «valeur agréée», beziehungsweise vereinbarter Wert genannt und kann im Schadenfall nicht mehr geändert werden. Die Versicherungsprämien selber hingegen sind Verhandlungssache und unter anderem abhängig von der Schadenhäufigkeit.

Rolle der Broker im Bereich der Kunstwerke

Ein Beispiel: RMS Risk Management Services in Basel versichert die Mehrheit der bestehenden Kunstversicherungen über Lloyd’s. Das können sowohl kleinere Policen für persönliche Schmuckstücke als auch Policen mit Werten in Millionenhöhe, unter anderem Violinen italienischer Musikinstrumentenbauer, sein. Unter Kunstversicherung können also auch Musikinstrumente, Schmuckstücke und Uhren, aber auch alte Autos versichert werden. Ein anderer Broker, der Kunst versichert ist beispielsweise auch AON.

Was die Obergrenze für zu versichernde Objekte betrifft, muss zwischen Binder- und Open Market-Geschäft unterschieden werden. Beim Binder-Geschäft können bis zu fünf Millionen Franken pro Standort in Deckung genommen werden, für Einzelstücke besteht eine Limite von 500’000 Franken. Falls Einzelstücke über dieser Limite liegen, wird bei den Lloyd’s Underwritern um eine Special Acceptance angefragt. «Wo die Höchstlimite eines Objektes liegt, ist schwer zu beziffern», sagt der autorisierte Lloyd’s Swiss Broker Pierre-André Luder. Eine Rolle spiele dabei auch, welche Sicherheitseinrichtungen (mechanische und/oder elektronische Sicherheiten wie Alarmanlagen) bestehen würden. Von Bedeutung sei auch, ob eine Rückversicherung bestünde. Bei exorbitanten Summen käme es auch vor, dass sich diverse Versicherer an der Versicherungssumme beteiligten.

Worin unterscheiden sich Broker wie RMS zum Beispiel von Helvetia oder Axa?

Bei RMS gilt in den Lloyd’s Wordings die Versicherungssumme automatisch als vereinbarter Werte, sofern die Objekte einzeln und mit einer Versicherungssumme bezeichnet sind. Hier kommt Art. 65 des Versicherungsvertragsgesetzes VVG ins zum Tragen:

1Haben die Parteien den Versicherungswert durch besondere Vereinbarung festgestellt, so gilt der vereinbarte Wert auch als Ersatzwert, sofern der Versicherer nicht beweist, dass der Ersatzwert nach Massgabe der Vorschriften den Artikel 62-64 und 66 dieses Gesetzes geringer ist als der Versicherungswert.

2Eine solche Vereinbarung ist ungültig, wenn ein künftiger Ertrag oder Gewinn gegen Feuersgefahr versichert wird.

Definition: Der Ersatzwert ist der Wert einer Sache zum Zeitpunkt des Schadenereignisses. Es ist der Wert, den die Versicherung ihrer Entschädigungsberechnung zu Grunde legt. Der Ersatzwert ist je nach Vertragsbedingungen Zeit- oder Neuwert.

VVG Art. 65 Ersatzwert / d. Vereinbarung über den Ersatzwert

Das bedeutet, dass die bestehende Versicherungssumme gemäss Police gilt und keine Unterversicherung angerechnet wird. Dies, falls der Ersatzwert, den die Neuanschaffung erfordern würde, höher wäre.

Binci Heeb


Tags: #Kunstversicherung #Staatshaftung #Versicherungswert