Viele noch ungeklärte Fragen rund ums Homeoffice und reicht der bestehende Versicherungsschutz?

1. Juli 2020 | Aktuell
3 Homeoffice Foto von PxHere Kopie
Bild: PxHere

Spätestens seit Covid-19 ist Homeoffice vom Kleinunternehmen bis zu den Grosskonzernen eines der zentralen Themen. Die enorm gewachsene Verlagerung des Arbeitsplatzes in die eigenen vier Wände erfüllt den verlangten Zweck des Social-Distancing, wird aber auch in (hoffentlich) bald wieder besseren Zeiten eine zunehmend bedeutende Rolle spielen. 

Der Zauberlehrling digitale Revolution lässt sich in keinem Bereich durch Mund-Nasenmasken aufhalten. Doch längst nicht alle Arbeitnehmende verfügen zuhause über ein Büro, welches den Namen auch verdient. «thebroker.ch» trifft bei der Recherche zu diesem Beitrag auf viele Fragen, die bisher noch nicht beantwortet wurden und hier einmal aufgelistet werden.

Bereits behördlich verfügte Fakten

Zunächst, da oft diskutiert und missverstanden, von Gesetzes wegen besteht keinerlei Anspruch auf Homeoffice. Ausser dies wird klar zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertraglich vereinbart. Gewährt oder verlangt der Arbeitgeber diese Form der Tätigkeit, weist das Staatssekretariat für Arbeit SECO verbindlich auf die arbeitsrechtlichen Vorkehrungen hin, welche beide Seiten zu treffen haben. 

Für derzeit durch das Coronavirus gefährdete Personen hingegen ist Homeoffice obligatorisch. Falls dies aus betrieblich oder überprüfbar unüberwindbaren persönlichen Gründen nicht möglich ist, muss der Arbeitnehmende gemäss Art. 10c COVID-19 Verordnung 2 zu Hause bleiben, mit Anrecht auf den vollen Lohn. 

Ausdrücklich wird in solchen Fällen die schriftliche Dokumentation folgender Rahmenvereinbarungen empfohlen:

  • Umfang der Homeoffice-Arbeiten
  • Feste oder fliessende Arbeitszeit mittels vorab festgelegtem Stundenplan
  • Art und Weise der Arbeitszeiterfassung 
  • Erreichbarkeit während der vereinbarten Präsenzzeit
  • Klare Regelung bei allfälliger Nacht- und Sonntagsarbeit
  • Einrichtung des Arbeitsplatzes zuhause
  • Eingesetzte Ausrüstung von Arbeits-Geräten sowie -Material und deren Eigentumsverhältnisse (allfällige Entschädigungsansprüche) 
  • Regelungen betr. sensiblen Daten und Haftung 

Ein perfekt eingerichteter Arbeitsplatz verfügt gemäss SECO über genügend Arbeitsfläche. Ideal sind mindestens 160 x 80 cm, zudem ein höhenverstellbarer Stuhl und gute Arbeitsplatzbeleuchtung. Von grossem Vorteil: die Sicht ins Freie/Fenster und eine gute Umgebung ohne Stolper- und Sturzgefahr, die durch herumliegende Kabel entstehen können. Klammer von «thebroker.ch»: Damit Datenschutz und Datensicherheit auch bei Homeoffice sichergestellt sind, wäre der Arbeitgeber gut beraten eine Cyberversicherung abzuschliessen oder – falls bereits vorhanden – entsprechend anzupassen.

Laut Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu passieren in der Schweiz doppelt so viele Unfälle in der Freizeit, wie bei der Arbeit. 46 Prozent aller Freizeitunfälle passieren im privaten Wohnbereich. Dabei stehen Stürze an vorderster Front, sind für jede zweite Verletzung verantwortlich. 280‘000 Menschen verletzen sich jährlich bei Stürzen. 2‘000 sterben sogar. Diese Arbeitnehmenden fehlen den Unternehmen oft lange Zeit. Gemäss Bundesamt für Statistik verunfallen die meisten Personen im Haus. 5,1 Prozent davon sind Männer, 3,0 Prozent Frauen. 

Das ist gesetz(t)

  • Mitarbeitende sind auch im Homeoffice gegen Unfall versichert, dies gilt genauso ausserhalb der vereinbarten Arbeitszeit, bei mehr als acht Stunden pro Woche über die Nichtbetriebsunfallversicherung. 
  • Es gelten die gleichen gesetzlichen Absicherungen bei Berufskrankheiten und Erkrankungen, wie am Sitz des Arbeitgebers. 

Für den Versicherungsbroker stellen sich bei Homeoffice folgende Fragen:

  • Bei Verlust oder Schaden von privaten mobilen Geräten, wie Laptops oder Handys die im Homeoffice eingesetzt werden, zahlen Hausratversicherungen häufig nicht, da diese zu Arbeitszwecken benutzt wurden. Die Geschäftsversicherung des Arbeitsgebers gilt jedoch oft nur an der Firmenadresse. Sollte hier nicht geklärt werden, ob die aktuelle Versicherungsdeckung der Firma auch ausserhalb gilt, oder ob Zusatzversicherungen sinnvoll sind?
  • Läuft es mit Kranken- und Unfallversicherungen tatsächlich ohne Anpassung normal weiter, oder wird «die Heimarbeit» anders eingeschätzt? 
  • Falls dem nicht so sein sollte, stellt sich die Frage ob der Arbeitgeber haftbar würde. Resultiert daraus eventuell gar eine Organhaftungsfrage? 
  • Bei Krankentaggeldausfällen bei Heimarbeit könnte es für den Arbeitgeber schwierig werden festzustellen, ob der Erkrankte zu Hause nicht trotz Krankheit arbeitet. Wem obliegt die Kontrolle und wie soll diese konkret stattfinden? Zu Hause arbeitet man ungeachtet der Erkrankung eher mal und länger als man sollte und es geschehen schneller Konzentrationsfehler. 
  • Wer zahlt bei Einbruch oder Feuer am Homeoffice-Arbeitsplatz: Geschäft- oder Hausratversicherung? 
  • Unbequeme Frage nach Kostenaufteilung: Falls der Arbeitgeber dank Homeoffice Bürofläche spart, beteiligt er sich anteilsmässig am geschäftlich genutzten Teil der Privatmiete des Mitarbeitenden? 
  • Stichwort soziale Vereinsamung: Wie steht es mit der sozialen Begleitung eines «Heimarbeiters» durch den Arbeitgeber und seinem Team am Firmensitz, wenn der tägliche Austausch, z.B. beim gemeinsamen Kaffee entfällt? 
  • Was bedeutet Homeoffice für Grenzgänger? Gelten trotz veränderter Situation weiter die bisherigen Aufenthaltsregeln, Bestimmungen, Bewilligungen, der offizielle Schweizer Arbeitsplatz, die gesetzlichen hiesigen Sozialleistungen? Kann das anhand bestehender bilateraler Abkommen intern angepasst werden, oder bedarf es einer Meldung inklusive Zustimmung der zuständigen Arbeitsämter?

In Anbetracht der grossen Löcher, die die Covid-19-Pandemie in die Staatskassen gerissen hat, und der bereits heute sichtbaren Tendenz, die Arbeitnehmer auch grenzüberschreitend vom Homeoffice arbeiten zu lassen, ist absehbar, dass das Homeoffice vermehrt in den Fokus ausländischer Steuerbehörden gelangen und Gegenstand internationaler Doppelbesteuerungskonflikte werden dürfte.

René Matteotti, Steuerrechtsprofessor und Rechtsanwalt in der NZZ vom 30.6.2020

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder «thebroker.ch»

Fragen über Fragen «thebroker.ch» bleibt dran. Während der leider noch nicht gebannten Covid-19-Pandemie bleiben jedoch trotz zunehmenden Aktionen (und Aktionismus?) von Regierung sowie Behörden derzeit noch grosse Unsicherheiten für Arbeitgeber und ihre Mitarbeitenden. Zuviel ist nicht erlaubt, aber auch nicht explizit verboten. Das betrifft nur zu oft mit den Bereich Versicherung, der seinen scheinbaren Ermessensspielraum nutzt. Verständlich, denn wer wie «thebroker.ch» zwei offiziell zuständige Stellen anfragt, erhält häufig drei unterschiedliche Antworten. Doch zuwarten und hoffen alleine hilft nicht. Unternehmer mit ihren Teams müssen handeln. 

Natürlich sind Büros mit Plexiglastrennung und Maskenpflicht die günstigste Lösung. Dennoch ist Homeoffice zunehmend in manchen Bereichen bereits Gegenwart und Zukunft. Wer wichtige, aber zum Teil abstrus geführte Diskussionen über Tischhöhe in Zentimeter, Bezug der Bürostühle, Arbeitslicht in Watt etc. vorübergehend einen Moment ausklammert, findet für seine Bedürfnisse und die der Firma die richtige Lösung. Risiken und Versicherungen können nicht einfach ausgeklammert werden.

Binci Heeb


Tags: #bfu #Heimarbeit #Heimarbeiter #Homeoffice #Mund-Nasenmaske #SECO #Social Distancing