Oster- und Sommerferien 2021: Wie man sich Stand April am besten versichert?

1. April 2021 | Aktuell Interviews
Jan Kundert, CEO Europäische Reiseversicherung ERV. Bild: zVg

Die Liste der Risikoländer des Bundesamtes für Gesundheit BAG ändert sich derzeit schon beinahe täglich. Im letzten Beitrag von thebroker über die Reiseversicherungen Mitte Februar galten zum Beispiel die Malediven gemäss EDA noch als mögliche Feriendestination, gehören sie heute zu den Risikoländern. Nun müssen Reisende bei ihrer Rückkehr in die Schweiz einen negativen Test vorweisen und zudem trotzdem Quarantäne gehen. Womit je nach Reiseantritt nicht zu rechnen war. Das kostet Zeit, Geld und gutmütige Arbeitgeber.

Zur schwierigen Reiselage befragen wir Jan Kundert, CEO der Europäischen Reiseversicherung ERV.

Herr Kundert, wie lange sind Sie schon Reiseversicherungsspezialist?

Bereits während meines Studiums arbeitete ich in der Versicherungsbranche, u.a. bei der RMS Risk Management Service AG unter Bruno Kopp, wo ich zum ersten Mal richtige Versicherungsluft schnuppern durfte. Seither, also seit rund 20 Jahren, konnte ich in dieser Branche verschiedene Aufgaben bei verschiedenen Anbietern übernehmen. Der Fokus auf Reise-, Freizeit- und Mobilitätsgeschäft bei der Europäischen Reiseversicherung ERV liegt nun seit 2019 als CEO ganz in meiner Verantwortung.

Kennen Sie Zeiten, in welchen das Reisen bereits so schwierig war, wie heute?

Als sich die Corona-Krise im Frühjahr 2020 akzentuierte, haben wir rasch begonnen Modelle zu bauen, welche verschiedene Szenarien abbildeten. Einige Modelle basierten dabei auf Daten von vergangenen Ereignissen. Darunter waren Naturkatastrophen, wie der Vulkanausbruch des Eyjafjallajökull in Island 2010, das Zika-Virus in Afrika, Südostasien und Lateinamerika, welches von der Weltgesundheitsorganisation WHO im Februar 2016 als «öffentlicher Gesundheitsnotstand internationalen Ausmasses» erklärt wurde und deshalb damals für unsere Branche von grosser Bedeutung war. Auch das Schweinegrippe-Pandemie genannte Virus H1N1 2009/10 und etwas weiter zurück die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York  9/11, hatten Auswirkungen in Bezug aufs Reisen, Fliegen und Einreisen, welche uns beschäftigten. Alle diese Vorfälle sind jedoch nicht im Ansatz mit der zur Realität gewordenen Corona-Pandemie zu vergleichen, da es sich dabei um ein systemisches Ereignis handelt, welches weltweite Auswirkungen hat.

Wie ausgeprägt ist gegenwärtig das Risikobewusstsein ihrer Kunden?

Bei ERV stellen wir fest, dass das Risikobewusstsein und die Bereitschaft Geld in die Absicherung von Risiken im Zusammenhang mit den Themen Reise, Freizeit und Mobilität zu investieren, in den letzten zwölf Monaten gestiegen ist. Die Absicherung von individuellen Risiken im Zusammenhang mit Reisen ist unsere Kerndienstleistung. Nachdem ich bei ERV erstmals in grösserem Ausmass mit verschiedenen Reiseschäden in Verbindung kam, hat sich bei mir der Eindruck gefestigt, dass das Risikobewusstsein der Schweizerinnen und Schweizer in Bezug auf Reiserisiken als eher tief einzustufen ist. 

Auf welchen Schutz legen Ihre Kunden «in normalen Zeiten» Wert beim Reisen?

Der Fokus liegt bei Reisen sehr oft auf den Annullationskosten, wobei diese nicht das grösste Risiko ausmachen. Grössere und viel wahrscheinlichere Gefahren sind alle gesundheitlichen Probleme, die unterwegs auftreten können. Sie sind sensitiv und können schnell kostenintensiv werden. Genau hier schlägt die Stunde unserer Dienstleistung, denn egal wo sich der Kunde auf der Welt befindet, ERV hilft. Sie sorgt für eine optimale medizinische Versorgung vor Ort und organisiert nötigenfalls auch die Repatriierung des Kunden. 

Übernehmen Sie auch Kostengutsprachen?

Ja, übrigens auch in Ergänzung mit einer Zusatzversicherung zur Krankenversicherung. Denn diese benötigt häufig zu lange für eine Kostengutsprache, gerade dann, wenn in irgendeinem Land eine Behandlung sofort nötig wird. Nicht selten benötigen die Krankenversicherer zwei bis drei Tage für die Kostengutsprache. So lange muss man dann häufig warten, bis der Eingriff erfolgen kann. Genau für diesen Fall garantieren wir eine sofortige Kostengutsprache. Diese Dienstleistung übernehmen wir gemeinsam mit unserem 24-Stunden-Assistance-Partner, Medicall AG. Diese erfolgt sofort, unkompliziert und unabhängig von der Krankenversicherungsdeckung des Versicherten. 

War der Umsatz des vergangenen Jahres bei ERV im Bereich Reiseversicherung wegen Corona rückläufig?

Als Teil der Helvetia Gruppe publiziert ERV selber keine Zahlen. Hierzu möchte ich gerne erwähnen, dass ERV nicht nur Reiseversicherer ist, sondern auch in anderen Geschäftsfeldern tätig ist. So bieten wir zum Beispiel Lösungen im Bereich Freizeit, Mobilität, Heilungskosten, Gästeversicherung und sogar im Bereich der Tierversicherung an. Bei den Kurzfrist-Deckungen im Bereich der Reiseversicherung, die im Zusammenhang mit einer Reise abgeschlossen werden, verzeichneten wir 2020 natürlich weniger Neuabschlüsse als in den vergangenen Jahren.

Bei der Jahresversicherung, wo wir ebenfalls über ein grosses Portfolio verfügen, sehen wir eine andere Entwicklung. Interessant ist zum Beispiel, dass wir in diesem Bereich weniger Kündigungen erhalten, was wiederum als ein klares Indiz darauf gedeutet werden darf, dass das Risikobewusstsein von Reisenden über die reinen Annullationskosten hinaus gestiegen ist. Unsere Policen bieten auch Schutz in der Schweiz oder bei Freizeitthemen. Als Beispiel: Wenn Kinder aufgrund von Krankheit nicht ins Ferienlager können, sind auch diese Kosten gedeckt. Dasselbe gilt beispielsweise auch für Konzerttickets oder einen Weekendtrip.

Sind Ereignisse, die auf eine Ansteckung mit Corona zurückzuführen sind, mitversichert, z.B. Rückreisekosten, Einlieferung in ein örtliches Spital?

Auch hier ein klares Ja. Unsere Versicherungsleistungen decken die Erkrankung im Zusammenhang mit dem Corona-Virus vor und während der Reise. Gleichzeitig sind auch die Annullationskosten gedeckt, wenn man vor der Reise an Corona erkranken sollte. In diesem Fall ist auch eine spätere Ersatzreise geschützt. Dasselbe gilt für die behördlich angeordnete Quarantäne vor und nach der Reise, welche wir einer Erkrankung gleichsetzen. Wer im Zusammenhang mit der Rückreise positiv getestet wird, muss nicht selten 14 Tage vor Ort in Quarantäne, was wiederum gleichbedeutend mit 14 weiteren Nächten im Hotelzimmer ist. Dazu kommt, dass ein anderer, meist teurerer Rückflug gebucht werden muss. Wir erachten die Bezahlung dieser Kosten als aussergewöhnlich guten Service für unsere Kunden. Medizinische Kosten vor Ort sind bei ERV ebenfalls versichert. Denn viele unserer Mitbewerbenden, insbesondere bei den Kompositversicherern, schliessen diese aus. 

Versichern Sie auch Ausfälle als Folge von Quarantäne, wenn ein Kunde auf der Reise von einem entsprechenden Bundesbeschluss überrascht wird? 

Ja, auch solche Fälle sind bei unseren Lösungen versichert. Mit einer eigentlich selbstverständlichen Ausnahme: Wenn sich zum Zeitpunkt der Abreise ein Land auf der EDA-Liste der abgeratenen Länder befindet, schliessen wir eine Deckung aus.

Es gibt immer mehr Länder oder Landesteile, die nur noch geimpfte Besucher mit Impfausweis einreisen lassen wollen. Was bedeutet das für Sie? 

Die gesamte Impfdiskussion verfolge ich natürlich sehr nah, auch aus eigenem Interesse. Sie hat sich in den letzten zwei Monaten stark entwickelt. Wer viel reist weiss, dass bereits vor Corona Länder existierten, die gewisse Impfungen verlangten, zum Beispiel Gelbfieber. In Afrika sowie Mittel- und Südamerika. Die Einführung solcher Bestimmungen halte ich deshalb für möglich. Dies ist aber meine persönliche Einschätzung.

Auch für Corona gilt wie in den genannten Fällen: Wer eine Reise gebucht hat und am Vortag der Abreise gilt plötzlich ein neuer Impfzwang für die gebuchte Destination, übernehmen wir auch diese Folgekosten. Das ist ein Beispiel für die Dynamik, welcher wir uns aktuell stellen. (schmunzelt).

Unterscheidet ERV bereits zwischen Corona geimpften und ungeimpften Personen?

Nein. Massgebend für unsere Leistungen sind unsere Produkte respektive die jeweiligen Versicherungsbedingungen. Diese sehen keine solchen Unterschiede vor und wir planen diesbezüglich auch keine Änderungen. 

Wie verhält sich der Anteil Privat-/Geschäftskunden?

Wir verstehen uns als B2B-Versicherer. Das heisst, unser Geschäftsmodell beruht darauf, dass wir in erster Linie mit Unternehmen zusammenarbeiten, die unsere Lösungen wiederum Privatkunden anbieten und verkaufen. Die ganze Abwicklung erfolgt dann jedoch meist direkt über uns. Der Nutzer der Dienstleistungen ist in den allermeisten Fällen einer unserer über zwei Millionen Privatkunden. Beispiele für solche Partnerschaften sind: TicketcornerDatasport, Swisscard oder Migros Clubschule. Im Reisebereich arbeiten wir mit fast allen grossen Tour-Operators (beispielsweise Hotelplan, DER Touristik/Kuoni, Globetrotter und anderen) zusammen. 

Daneben bieten wir auch Versicherungslösungen für über 2 000 Firmenkunden an, darunter grosse Unternehmen. So sind dort alle Mitarbeitenden, die Dienstreisen unternehmen, geschützt. Auch in diesem Segment bieten wir das finanzielle Dach zusammen mit einem Dienstleistungspaket an, welches die technische Assistance betrifft, zum Beispiel wenn die Weiterreise eines Mitarbeiter verunmöglicht wird. Daneben übernehmen wir die medizinische Assistance und bieten auch eine Informationsplattform mit Reiseinformationen an, welche von den Unternehmen genutzt werden kann.

Funktioniert die Zusammenarbeit mit Reisebüros?

Sehr gut. Wir haben rund 1 300 Partner, arbeiten mit beinahe allen grossen Tour Operators zusammen. Aber auch mit der grossen Mehrheit der mittleren und kleinen Reisebüros oder Anbietern. Schwerpunkt der Partnerschaft findet sich bei Reisen, Freizeit, Mobilität. Im Bereich der Reiseversicherung arbeiten wir seit vergangenem Herbst auch mit Swisscom zusammen. Der Kommunikationsriese bietet unser Produkt exklusiv seinen Kunden als Tagesversicherung an. Wer einen Wochenend-Ausflug für zwei Tage in die Schweizer Berge plant, kann dies als Swisscom-Kunde auf dem Portal Easy Insurance für zwei Franken (einen Franken pro Tag) versichern. 

Sie bieten auch spezielle Lösungen rund um die Gesundheit, was ist da gemeint?

Bekannt ist ERV vor allem für die Gästeversicherung. Diese temporäre Krankenversicherung kommt bei längerem Aufenthalt eines Besuchs aus dem Ausland in der Schweiz zum Tragen. Wir bieten zudem unterschiedliche Heilungskosten-Bausteine für Reisende an. Und auch unsere Tierversicherung «wau-miau» ist eine Heilungskosten-Lösung. 

Haben sich die Kundenwünsche über die Jahre verändert?

In den letzten Jahren haben sich die Wünsche, aber vor allem auch die Erwartungen, in der Tat verändert. Spürbar sind die gestiegenen Erwartungen der Kunden bezüglich Verfügbarkeit und Zugang zu Informationen, sowie Dienstleistungen. Gerade im Gesundheitswesen wurde der zeitliche Druck durch Kunden grösser. Konventionelle Geschäftszeiten mit Erreichbarkeiten von 8 – 12 und 14 – 17 Uhr muten heute archaisch an und sind nicht mehr zeitgemäss. Mein persönlicher Eindruck ist, dass viele Kunden bei Bedarf sofort eine massgeschneiderte Lösung erwarten. Mit den erhöhten Anforderungen an Transparenz ist die Bereitschaft für etwas zu bezahlen, das man nicht benötigt, gleichzeitig gesunken. 

Welche Reiseversicherungslösung empfehlen Sie?

Aus unserer Sicht gehört eine Jahresversicherung in jeden Haushalt. Damit kann man zum Beispiel gewisse Abstriche bei der Zusatzversicherung der Krankenversicherung machen. Unsere Empfehlung ist unsere Multitrip Jahreslösung entweder für Einzelpersonen oder als Familiendeckung. Eine solche Wahl ist erstaunlich günstig, bei der teuersten Variante bedeutet dies weniger als einen Franken pro Tag für die ganze Familie. Damit ist man umfassend und bei allen Ereignissen im Zusammenhang mit Reisen und Freizeitaktivitäten abgedeckt und hat Zugang zum besten Assistance-Netzwerk weltweit (24h-Alarmzentrale)

Wann waren Sie das letzte Mal im Urlaub?

Im Februar dieses Jahres genoss ich Skiferien in den Schweizer Bergen. Es war herrlich: Leere Pisten und Skilifts. Das letzte Mal im Ausland war ich vergangenen September in Venedig. Auch dort waren wir praktisch alleine.

Für wann planen Sie die nächsten Ferien und wohin soll es gehen?

Eigentlich wollten wir im April nach Portugal reisen, da sich gebuchte Easy Jet-Flüge aus dem vergangenen Sommer in den April verschoben hatten. Ursprünglich glaubten wir, das Reisen sei dann wieder möglich. Diese Flüge wurden dann durch Easy Jet aber abgesagt. Gebucht habe ich noch Tickets für das Moon & Stars Festival in Locarno Mitte Juli. Noch ist es nicht abgesagt, aber das kann sich, wie so vieles in dieser Zeit, noch jeden Tag ändern. 

Herr Kundert, vielen Dank für Ihr Gespräch mit thebroker.  

(Das Interview hat Binci Heeb per Videoschaltung geführt.)


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