Pandemiepool: Wirklich das Gelbe vom Ei?

17. August 2020 | Aktuell
Bild von Fernando Zhiminaicela auf Pixabay

Seit rund zwei Monaten arbeitet der Bund zusammen mit der Versicherungswirtschaft an Vorschlägen für eine Pandemieversicherung. Ende September soll ein Bericht vorliegen.

Wie der Bund, so ist auch Ivo Menzinger, Leiter des Projekts «Pandemiepool» seitens der Privatversicherer, Befürworter einer Poollösung. Weshalb es jedoch bisher keine Pandemieversicherung gab, beantwortete er in einem Interview für den Schweizerischen Versicherungsverband SSV damit, der Hauptgrund liege darin, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Pandemie rein privatwirtschaftlich grundsätzlich nicht versicherbar seien. Ein solches Ereignis verstosse eigentlich gegen sämtliche Prinzipien der Versicherbarkeit. 

 Andere Versicherungspools längst selbstverständlich

Die Poollösung eignet sich generell ganz speziell für relativ unbekannte Risiken, die sich selten ereignen, aber ein sehr grosses Schadenpotential aufweisen können. Solche Pools bilden Vereinigungen von Versicherungsgesellschaften, welche gemeinsam ein besonderes Risiko oder eine besondere Sparte abdecken. Allgemein bekannt sind zwei grosse Poolversicherungen.

Die älteste derartige Lösung der Schweiz ist der Elementarschaden-Pool oder ES-Pool, er wurde bereits 1936, noch vor dem Zweiten Weltkrieg, gegründet. Elf Versicherungsgesellschaften decken dabei 98 Prozent des Marktes ab. Der ES-Pool beruht auf doppelter Solidarität indem sich Versicherungsnehmer und Versicherer solidarisch verhalten und das Risiko gemeinsam tragen. Alle Versicherten zahlen den gleichen Prämiensatz. Egal, ob sie in einem besonders gefährdeten Gebiet wohnen oder nicht.

Wesentlich jünger, aber dennoch bereits seit langer Zeit etabliert, der Pool für die Versicherung von Nuklearrisiken. Er wurde vor 53 Jahren gegründet. Ohne ihn könnten bei einem Grossschadenfall die Schadenansprüche gegenüber nur einer Versicherung zu deren Insolvenz führen. Um eine garantierte Deckung bieten zu können, haben sich die meisten Versicherungsgesellschaften der Schweiz in einen Nuklearversicherungspool zusammen getan, das Risiko wird also über mehrere Gesellschaften gestreut und ergibt nicht nur eine hohe Deckung, sondern es wurde auch eine optimale Risikostreuung geschaffen. 

Bis vor wenigen Jahren gab es einen Luftfahrpool. Auch damals hiess es, man könne solche Ereignisse nur in einem Pool versichern, da das Risiko zu gross sei. Nachdem die Winterthur von der AXA gekauft wurde, verschwand der Pool von einem Tag auf den anderen. Es ist stark zu vermuten, dass der Konzern durch den Kauf gross genug war, um das Risiko intern abzusichern.

Weshalb die Probleme bei der Schaffung des Pandemiepools?

Befürworter eines Pandemiepools gibt es viele. Es gibt aber auch Pool-Gegner auf der Seite der Versicherungs-Broker. Bruno Kopp zum Beispiel, Geschäftsführer von RMS Risk Management Service AG, ist im Gegensatz zu Ivo Menzinger keineswegs der Meinung, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Pandemie rein privatwirtschaftlich grundsätzlich nicht versicherbar seien. Vielmehr sieht er darin eine riesige Geldproduktionsmaschinerie, wo massiv mehr Geld verdient als ausgezahlt werden wird. Auch sei es so, dass die Privatwirtschaft Geld verdiene und der Staat als Garant herhalten müsse. «Das ist nicht sauber», so Kopp.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Pandemie sind sehr wohl versicherbar.

Bruno Kopp

Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Pandemie seien sehr wohl versicherbar, entgegnet er der Aussage des Leiters «Projekt Pandemiepool» und fügt an, dass nicht alle Mittel ausgeschöpft wurden. Zum Beispiel nennt er einen Pandemie-Bond, analog zu den Cat-Bonds.

Erste Versuche, Pandemien zu versichern, existieren bereits. Lloyds of London eröffnete zum Beispiel unter dem Namen «Syndicate 1796» bereits im Juli eine Versicherung, die Lieferungen in weniger entwickelte Länder und temperaturkorrekte Transportrisiken sowie die entsprechende Lagerung von Covid-19-Impfstoffen deckt. Der Weg, bis unter diesen aussergewöhnlichen Umständen auch Betriebsunterbruch abgesichert werden kann, scheint deshalb kurz.

Das Solidarwerk erachte ich in diesem Zusammenhang als unnötig.

Bruno Kopp

Grosse Fragezeichen stellt Bruno Kopp auch hinter das Solidarwerk, dieses sei unnötig. Was es hingegen brauche, sei eine wirtschaftliche Versicherung. Diese würde etwas höhere Prämien voraussetzen. Wenn es alle zehn Jahre zu einer Pandemie käme, müsse man mit einer Prämie von 10 Prozent, von der zu versichernden Summe, rechnen. Das Risiko eines Pools sieht er ferner darin, dass nach oben hin ein Katastrophenlimit eingebaut werden müsste. Beim Erreichen dieser Grenze, gäbe es kein Geld mehr und einige Unternehmen würden Konkurs gehen.

Wenn nicht Pandemiepool, was dann?

Bruno Kopp ist überzeugt, dass sich Versicherungslösungen ohne staatliche Beteiligung entwickeln und in ein bis zwei Jahren auf dem Markt sein werden. Diese Produkte würden allerdings vor allem am Anfang relativ teuer sein und deshalb nicht von allen potentiellen Beteiligten abgeschlossen werden. 

Wo bleibt der Mumm, die Kreativität der Unternehmer?

Bruno Kopp

Ärgerlich stimmt ihn, dass sich auch grosse Versicherungskonzerne mit dem Staat zusammentun. Ihnen fehle es an Kreativität und Mumm, es seien zum Teil Erbsenzähler anstelle von Unternehmern am Werk und es funktioniere vermehrt über Compliance-Büros. Zum anderen hätten sie bei einem staatlichen Obligatorium die grosse Unterstützung zu Lasten der Allgemeinheit unverschämt viel Geld zu verdienen.

Binci Heeb


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