Riskwolf schliesst mit parametrischen Produkten die Lücke zwischen Versicherung und versicherter Person
18. November 2024 | Allgemein Aktuell InterviewsDen grössten Durchbruch hatten parametrische Versicherungen 1997 mit der Einführung von Katastrophenanleihen, sogenannten Cat Bonds, die Rückversicherer nutzten, um sich gegen Naturkatastrophen abzusichern. Die Idee dahinter ist, dass sie nicht auf dem tatsächlichen Schaden basieren, sondern auf vordefinierten Parametern wie Windgeschwindigkeit, Erdbebenstärke oder Niederschlagsmenge. Beim Erreichen eines bestimmten Schwellenwerts erfolgt eine Auszahlung und ermöglicht es, dadurch schneller und effizienter auf Schäden zu reagieren und Kosten zu reduzieren. Der Einsatz dieser Versicherungen wird insbesondere im Bereich Wetterrisiken, landwirtschaftlichen Versicherungen und im Katastrophenschutz eingesetzt.
thebroker spricht mit Thomas Krapf, Mitgründer und CEO vom Startup Riskwolf, einer Plattform, die den Prozess von der Ideenfindung über die Inkubation bis hin zur Markteinführung automatisiert.
Wo genau liegt der Nutzen von besseren Prognose-Daten für Versicherer?
Wir glauben, dass die umfassende Nutzung von Echtzeit- und besseren Prognose-Daten für Versicherungszwecke in den Bereichen Underwriting und Schadenregulierung ein signifikantes und noch nicht ausgenutztes Potential haben.
Ihre Plattform erlaubt es eine breite Produktepalette an parametrischen Versicherungen zu strukturieren, bepreisen und zu betreiben. Das klingt kompliziert. Ist es das auch?
Ja und Nein. Die Parametrik selbst ist relativ einfach. Diese beinhalten Datenquellen, Definition eines objektiven Triggers (Schwellwerte wie Temperatur, Windstärke, Erdbebenstärke, Regenfall, Hagelintensität), Quantifizierung der Auszahlung (Einmalzahlung oder variable / lineare Auszahlung) sowie Überwachung des Triggers. Die Datenquellen sollten idealerweise öffentlich einsehbar sein, so dass alle Parteien die gleiche Sicht haben (Transparenz). Zudem sollten die Trigger eine hohe Korrelation mit dem Schadenereignis haben. Ansonsten ist das sogenannte Basis-Risiko zu hoch.
Was wir bei Riskwolf abbilden ist dann eine relativ komplexe Orchestration des parametrischen Business Modells mit unseren drei Features/Komponenten:
- Wir betreiben unsere Engine für jeden Kunden (Versicherungen und verwandte wie MGA’s und Captive’s) auf einer designierten Umgebung (Tentant). Dadurch werden einzelne Prozesse (Quotierung, Schadenmeldung) mit Schnittstellen (API) automatisch und in Echtzeit integriert. Z.B. können wir für eine online Buchungsplattform eine parametrische Deckung im Echtzeit-Buchungsprozess abbilden.
- Wir geben unseren Kunden die Möglichkeit – derzeit als Service und in Zukunft als Self-Service – eigene Produkte für deren Endkunden (Farmers, Gig workers, SMEs etc.) zu definieren, zu bepreisen, zu quotieren und zu betreiben.
- Die Orchestrierung mit den Ökosystem-Partnern (Rückversicherungen, Datenanbieter, Vertriebsorganisationen, Aggregatoren) wird von Riskwolf für die ganze Strecke Build, Quote, Bind, Operate, Monitor Claim und Assess Claim angeboten. Das ist ein hoch-komplexes Ökosystem, das wir mit unserer Plattform gelöst haben.
Wofür wurde Riskwolf von FinTech Global als eines der 100 innovativsten InsurTechs der Welt ausgezeichnet? Wir gratulieren!
Danke. Wir gehören laut Wired neu auch zu den 100 hottest Startups in Europa bzw. zu den Top 10 in Zürich. Nun, wir sind nicht im Geschäft, um auf Listen zu gelangen. Wir möchten einen echten Beitrag zur Innovation im Versicherungsbereich leisten. Dies ist unser Auftrag und falls es positiv wahrgenommen wird, ist das ein weiterer Pluspunkt und hilft uns auch bei der Markt- und Investorenwahrnehmung.
Wie kann man mit Riskwolf aus Echtzeitdaten Versicherungen machen?
Wir bauen auf drei Komponenten auf: Historische Quantifizierung, Echtzeitdaten sowie Prognosemodelle. Historische Daten sowie Prognosemodelle fliessen in Schadenszenarien ein und werden mit statistischen Ansätzen berechnet. Echtzeitdaten werden benutzt, um Ereignisse zu erfassen und kontinuierlich mit dem betreffenden parametrischen Trigger in den Versicherungsverträgen verglichen. Damit kann der Schadenprozess schnell und effizient ausgelöst werden.
Ihr Hauptaugenmerk liegt seit 2023 im Bereich der Wetter-Risiken. Wie erfolgreich sind Sie damit?
Für den Wetterbereich sind unsere Datenquellen eigentlich immer mit den Kapazitätsanbietern abgestimmt. Wir folgen den schon akzeptierten Marktusanzen. In Indien oder in Australien beispielsweise arbeiten wird mit den die lokalen Anbieter IMD oder BOM. Die daraus abgeleiteten Versicherungsdeckungen folgen immer den Richtlinien unserer Versicherungskunden. Für grössere Programme können wir Zeichnungslimiten sowie Schadenverläufe kontinuierlich überprüfen bzw. die notwendigen Reports unseren Kunden zukommen lassen.
Für den Technologiebereich sind wir daran, eine Monitoring-Lösung als offene Marktlösung zu lancieren. Wir haben dazu laufende Gespräche mit möglichen Partnerfirmen. Mehr dazu erwarte ich im kommenden Jahr.
Weshalb zogen Sie sich von Ihrem Angebot für Lösungen für einen IT-Ausfall oder einer Cloud-Downtime zurück?
Unser Angebot zur Unterstützung bei Cloud- und Internetausfällen wird nicht zurückgezogen. Wenn es Kapazitätsanbieter gibt, die bereit sind, dieses Risiko zu übernehmen, würden wir gerne Unterstützung leisten. Bisher war das Interesse jedoch sehr begrenzt.
Wie können Versicherer, Echtzeitereignisse in Minuten erstellen?
Das hängt vom Szenario ab. Mit unserem Cloud-Monitoring können wir kritische Applikationen in Echtzeit überprüfen (z.B. alle 5/10/15 Minuten) und dabei Ausfälle identifizieren. Wir testen neben einfachen Ping-Tests auch komplizierte Szenarien wie z.B. einen Payment-Prozess oder eine eCommerce-API. Dabei können wir den Anfangs- sowie den Endzeitpunkt eines Ausfalles auf 15-30 Minuten genau aufzeichnen. Dies ist relevant für BI Deckungen.
Für den Wetterbereich sind wir typischerweise mit täglichen Updates versorgt, dies kann je nach Quelle aber auch granularer sein. In Indien sind wir daran, für einen Partner stündliche Frequenzen abzubilden.
Wie funktioniert die Weitergabe der Daten an digitale Partner und Aggregatoren?
Wir arbeiten mit Versicherungen und Distributionspartner sowie Aggregatoren zusammen. In Indien z.B. haben wir eine Integration mit einem führenden Darlehens-Aggregator, die über eine API abgewickelt wird.
Ist es richtig, Sie einen Risikomanagementpartner für alle Risiken in der Internetwirtschaft zu nennen und wenn ja, wieso?
Riskwolfs erstes Produkt ist im Bereich Internetwirtschaft angesiedelt (Cloud und InternetDowntime). Wir haben dort ein vierjähriges Knowhow aufgebaut und unterhalten eine Monitoringarchitektur, die wie oben beschrieben Ausfälle von kritischen Applikationen und Internetverfügbarkeiten messen und quantifizieren.
Weshalb sind Parametrische Versicherungen für Cloud-Ausfallzeiten heute so wichtig?
Sie sind wichtig, weil die digitale Infrastruktur eine massive Wertschöpfung unterstützt und immer mehr Prozesse nur via Cloud verfügbar sind (Staatliche Dienstleistungen, Medizin, Bahn- und Fluginfrastruktur, Onlinebanken, kritische Geschäftsapplikationen).
Wie sieht es bei Internetstörungen aus?
Auch die Cloud-Infrastruktur hängt vom stabilen Internet sowie einer funktionierenden Telko-Infrastruktur ab, z.B. mit den physischen Tiefseekabelverbindungen und der letzten Meile zu Mobilfunktürmen und ISP-Verteilern. Die stabilste Cloudarchitektur hilft nicht, wenn das Unterseekabel oder die Mobilversorgung ausfällt.
Wofür sind parametrische Versicherungen für Kraftstoffpreise gedacht?
Dieses Konzept haben wir für den vietnamesischen Markt entwickelt. Dabei ging es um einen PoC, adverse Preiseffekte von Commodities abzubilden. Dieser PoC hat uns aufgezeigt, dass wir neben Wetter- auch Preisfluktuationen abbilden können.
Wann treten Versicherungen für Immobilienhypotheken in Kraft?
Wir haben unsere ersten Programme, wo wir für Darlehen von Banken an Gig Worker, Bauern und SMEs spezifische Wetterkatastrophen abdecken. Die Nachfrage aus den «Emerging Economies» ist da. Auch aus der Ecke der Impact Investoren und Entwicklungsbanken, die ihre Darlehen und potentiellen Ausfälle besser absichern möchten. In den entwickelten Märkten bleibt es spannend, die Entwicklungen in den USA z.B. in Florida zu verfolgen.
Wie schätzt der Markt die zukünftigen Frequenzen von massiven Wetterschäden ein?
Der private Versicherungsmarkt alleine wird es da sehr wahrscheinlich nicht richten. Gleiches gilt in abgeschwächter Form auch für Europa. Wir glauben bessere Prävention, genauere Prognosen sowie striktere Bauvorschriften haben einen grösseren Hebel. Transferlösungen können dann kombiniert werden mit Schadenkontrolle dank besserer Prävention und Schadenvermeidung.
Thomas Krapf ist CEO und Mitbegründer von Riskwolf. Er verfügt über mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung in der Rück-/Versicherungsbranche. Er war in New York, London, Mumbai, Singapur, Paris, München und Zürich tätig.
Während dieser Zeit initiierte und unterstützte Thomas drei Start-ups im Bereich Rück-/Versicherung. Er baute eine der ersten globalen E-Business-Plattformen für fakultative Sach- und Unfallrückversicherungen auf und veröffentlichte sie. Er war Mitinitiator von Initiativen wie Rüschlikon und ACORD eBOT, die die Branche von Papier/E-Mail zu einer vollständig integrierten elektronischen Verarbeitung führten. Er leitete zahlreiche Projekte in den Bereichen Kundenmärkte, Risikoprüfung, Schadensfälle, Versicherungsmathematik, Naturkatastrophen-Exposure-Management, technische Buchhaltung, Finanzbuchhaltung und Solvency II.
Er hat einen Master in Wirtschaftswissenschaften von der Universität Zürich in der Schweiz und hat die ARM- und ERM-Abschlüsse erworben.
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