santésuisse: Pflegekosten auf Rekordniveau
16. Juli 2024 | Aktuell AllgemeinCommuniqué von santésuisse vom 16. Juli 2024.
Die Pflegekosten belasten das Gesundheitswesen immer stärker. Von 2011 bis 2022 sind die Ausgaben auf 6,5 Milliarden Franken gestiegen. Immer grösser und teurer wird das Angebot im Spitex-Bereich, wo die Zahl der Leistungserbringer im selben Zeitraum um 92 Prozent zugenommen hat. Handlungsbedarf sieht santésuisse auch bei der Ermittlung des Pflegebedarfs: Patientinnen und Patienten werden in den Kantonen Jura, Genf, Neuenburg und Waadt generell höher eingestuft als in anderen Kantonen, da mit drei verschiedenen Erfassungssystemen gearbeitet wird.
Seit Einführung der neuen Pflegefinanzierung im Jahr 2011 haben die Pflegeleistungen in der Schweiz massiv zugenommen. Bis im Jahr 2022 stiegen die Kosten in Pflegeheimen um 42 Prozent, und zwar von 3,2 Milliarden Franken auf rund 4,5 Milliarden Franken, bei der Pflege zu Hause sogar um 124 Prozent – von 900 Millionen auf rund 2 Milliarden Franken. Den grössten Teil der Kosten bezahlen die Krankenversicherer über die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP): Fast 3,4 Milliarden Franken waren es im Jahr 2022 – und damit 41 Prozent mehr als 2011. Der Rest ging zulasten der Kantone (2,4 Milliarden Franken) sowie der Patientinnen und Patienten (752 Millionen Franken). Diese Situation dürfte sich weiter zuspitzen: Mit der Umsetzung der Pflegeinitiative sowie der Einführung der Einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) droht der nächste Kostenschub. Damit die Pflege weiterhin finanzierbar bleibt und die Prämienzahlerinnen und Prämienzahler entlastet werden können, müssen die Akteure des Gesundheitswesens dafür sorgen, dass die Belastung für die Grundversicherung nicht weiter steigt. Entsprechende Massnahmen in verschiedenen Bereichen sind zwingend.
Deutlicher Trend: Immer mehr Pflege zu Hause statt im Heim
Stark ausgebaut wurde das Angebot im Bereich Pflege zu Hause. Im Jahr 2011 waren erst 1410 Leistungserbringer registriert, bis 2022 stieg diese Zahl auf 2708 (Plus 92 Prozent). Dagegen ging die Zahl der Pflegeheime im selben Zeitraum leicht zurück (von 1585 auf 1485 Anbieter). Gleichzeitig werden die Klientinnen und Klienten immer älter. Über die Hälfte der OKP-Leistungen in Pflegeheimen nehmen inzwischen Personen im Alter von über 85 Jahren in Anspruch. Im Bereich Pflege zu Hause fallen mehr als die Hälfte der Pflegebeiträge bei Personen im Alter von über 80 Jahren an.
Pflegebedarf ungleich erfasst: Patienten in der Westschweiz werden höher eingestuft
Um den Pflegebedarf von Patientinnen und Patienten ermitteln zu können, setzen die Pflegeheime auf drei Pflegebedarfs-Erfassungssysteme. Die Pflegeheime der Deutschschweizer Kantone sowie der Kantone Wallis, Freiburg und Tessin vertrauen auf BESA oder RAI-RUG, die Kantone Waadt, Neuenburg, Genf und Jura auf Plaisir. Auswertungen von santésuisse zeigen nun: Jene Kantone, die mit Plaisir arbeiten, erreichen bei Patienten im Schnitt eine deutlich höhere Pflegebedarfsstufe, womit die OKP noch stärker belastet wird. Für santésuisse eine unhaltbare Situation. Es kann nicht sein, dass Personen mit demselben Pflegebedarf aufgrund ihres Wohnortes in andere Pflegebedarfsstufen eingeteilt werden.
Vergleich mit Ausland zeigt: Schweiz steht bei Pflegepersonal sehr gut da
Positiv schneidet die Schweiz bei der Pflegepersonal-Dichte ab: Werden diplomierte Pflegefachpersonen und Fachleute Gesundheit und Betreuung zusammen betrachtet, liegt die Schweiz im internationalen Vergleich an zweiter Stelle hinter Norwegen – mit 17,0 Pflegefachpersonen pro 1‘000 Einwohner. Der vielzitierte Mangel an Pflegepersonal lässt sich auch dann nicht festhalten, wenn der Faktor Teilzeitarbeit mit einbezogen wird. Auch dann ist die Schweiz im internationalen Vergleich weit vorne mit dabei. Wichtig auch: Gemessen an Vollzeitäquivalenten ist das Pflegepersonal in Pflegeheimen seit Einführung der neuen Pflegefinanzierung nahezu stabil geblieben. Im Bereich Pflege zu Hause stieg die Zahl hingegen stark an, insgesamt um 37 Prozent.
Die Reformvorschläge von santésuisse
- Alle Akteure müssen dafür sorgen, dass die finanzielle Belastung für die Grundversicherung nicht noch weitersteigt.
- Die Pflegeheim-Planung ist überregional und überkantonal vorzunehmen.
- In stationären Einrichtungen ist der Pflegebedarf einheitlich zu erfassen. Es darf nicht sein, dass ein Pflegebedarfssystem verwendet wird, das offensichtlich einen zu hohen Pflegebedarf ermittelt. Die drei Pflegebedarfssysteme sind nun endlich zu harmonisieren.
- Es braucht eine Diskussion zu Möglichkeiten, Finanzierung und Leitplanken der Angehörigenpflege, um den starken Kostenanstieg zu dämpfen. Generell ist zu überdenken, ob bzw. in welchem Rahmen Angehörigenpflege über die Grundversicherung finanziert werden soll.
- Die Datenlage in der ambulanten Pflege ist viel zu bescheiden, das gilt es deutlich zu verbessern.