Schmuggelte Bundesrat Alain Berset den Artikel 69 E-BVG (berufliche Vorsorge) in die Vorlage?

18. Juni 2020 | Interviews
markus-lehmann
Markus Lehmann, Präsident Verband Schweizerischer Versicherungsbroker SIBA

Fragen von thebroker an Markus Lehmann, Präsident Verband Schweizerischer Versicherungsbroker SIBA

Herr Lehmann, weshalb kämpft Bundesrat Alain Berset für ein Verbot von Courtagen im Vorsorgegeschäft?

Es ist mit ein Rätsel, denn durch ein Verbot von Courtagen bestraft er genau die Klientel, welche seine Partei (SP) politisch unterstützt. Ausgerechnet Menschen welche sich oft eine Beratung nicht mehr leisten können. Ein solches Verbot bedeutet, dass ein Arbeitgeber, mit dem klaren Auftrag seine Mitarbeitenden einer Vorsorgeeinrichtung zuzuführen, ein Honorar bezahlen muss, wenn er eine Beratung braucht. Es gibt dann keine Dienstleistung für den Destinatär, also Arbeitnehmer.

Bei einem allfälligen Courtage-Verbot würde Ihrer Branche die Beratungseinnahmen einbrechen. Man könnte Ihnen unterstellen, dies sei der Grund, weshalb Sie dem Bundesrat die Kompetenz absprechen, Entschädigung von Vermittlungstätigkeiten zu regeln?

Das kann er gar nicht, er weiss ja nicht was gemacht wird. Wenn Artikel 69 E-BVG käme und die Courtagen verboten würden, dann müssten Vorsorgeeinrichtungen und Versicherer ihren Apparat wieder hochfahren. Denn genau die Arbeit, die Broker zugunsten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern leisten, muss von jemandem Unabhängigem gemacht werden. Sonst geht die ganze neutrale Beurteilung verloren, wenn ein Vertreter im Sold einer Versicherung, z.B der Basler, sein Produkt anpreist. Von den KMU’s sind heute bereits über 90% bei einem Broker. Deren Aufwandsentschädigung ist übrigens bei weitem nicht so hoch, wie oft gedacht. In der Studie „Versicherungsbroker BVG 2020“ der HSG ist die Rede von 309 Millionen CHF, das ist falsch – in Wirklichkeit sind es 176 Millionen CHF. Umgelegt auf die Gesamtbilanz eines Jahres an Vorsorgegeldern bedeutet dies 0,0085%!

Es hält sich der Verdacht, Bundesrat Berset habe den Artikel 69 E-BVG (betreffend berufliche Vorsorge) nicht ganz fern von politischen Eigeninteressen ohne Vernehmlassung und Ämterkonsulation in die Vorlage geschmuggelt?

Das kann man genauso sagen. In der Landesregierung ist es Usanz, dass bei Änderungen eines Artikels oder einer Verordung, welche massgebende Auswirkungen hat, diese den anderen Departementen zur Durchsicht unterbreitet werden. Das unterliess Bundesrat Berset, sonst hätten wir es erfahren. Aus dem Departement Berset gibt es für uns Betroffene vorgängig nie Informationen. Dann und wann passiert es sogar, dass mit Fehlangaben operiert wird. Das passiert nicht einfach so, im Gegenteil: mit dem Departement von Bundesrat Uli Maurer können wir sehr gut zusammenarbeiten, offen und transparent. Am Tisch wird gemeinsam über Gesetze diskutiert. Nun hoffen wir, wenigstens von der Gesundheitskommission des Ständerates gelegentlich zu einer Anhörung eingeladen zu werden. Wir, das sind der Verband, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter sowie Konsumentenschützer.

Aus dem Departement Berset gibt es für uns Betroffene vorgängig nie Informationen.

In unserem Vorgespräch sprachen Sie im Fall Alain Berset von einem frechen, undemokratischen und falschen Vorgehen. Ihre Meinung als Privatperson, oder offiziell auch die mit dem Mantel des Verbandspräsidenten? Dann wäre jetzt Platz die zu begründen.

Im letzten Mai gab es einen Vorstoss von Frau Ruth Humbel, CVP Aargau, welche ein Verbot sämtlicher Entschädigungen in der 2. Säule verlangte. Der Vorstoss wurde von der Gesundheitskommission des Naitonalrats mit der Begründung abgelehnt, es sei kein Regelungsbedarf nötig, das bestehende System funktionierte gut. Was mich masslos ärgert ist, dass man jetzt still und leise versucht durch die Hintertür das Courtageverbot rein zu schmuggeln. Mit ist klar, dass gewisse linke Kreise eine Verstaatlichung unserer 2. Säule anstreben, analog der AHV. Damit laufen wir in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft hinein die nicht finanziert werden kann. Und Verlierer sind ausgerechnet immer die, welche man vorgibt, schützen zu wollen.

Welche konkreten Vorteile bietet das Courtagen-Modell im Vergleich zu Bersets Honorar-Modell?

Einerseits eine Berechenbarkeit für alle und es muss nicht jede Minute deklariert werden. Natürlich macht jeder Broker heute seine Rentabilitätsberechnungen. Zudem wird es nicht von den Spargeldern genommen, sondern von den Risikoprämien. Persönlich hätte ich nichts dagegen, wenn da der Prozentsatz schweizweit normiert würde.

Es gibt Broker für welche das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge BVG ein wichtiges Standbein ist. Bedeutet die Absicht von BR Berset in der Konsequenz, dass sie schliessen müssten?

Auf den ersten Blick zunächst nein. Doch sie müssten auf die Honorar-Regelung umstellen. Ich nehme an, viele Mitarbeiter von Kleinbetrieben würden damit ihren Job verlieren. Schlimm genug, dass die Beratung verloren geht – kein Katastrophenszenario aufgrund von Partikulärinteressen: England und Dänemark haben die Courtagen abgeschafft. Mit dem Resultat, nur noch Grossunternehmen können sich leisten, externe Experten beizuziehen. Die mittleren und kleineren Segmente bleiben auf der Strecke.

Welche Alternative haben Broker überhaupt, wären Stiftungen eine Lösung?

Es gibt bereits Stiftungen, doch die arbeiten auf Honorarbasis. Wenige Betroffene können diesen Weg wählen um sich beraten zu lassen, denn dieser «Service» ist alles andere als kostenlos. Zwar hören die Interessierten, dass man ohne Courtagen arbeite, sogar besser sei als Broker: Doch dann kommt die Rechnung. Am Ende des Tages nehmen sie das Geld des gutgläubigen Kunden.

Sehen Sie es vielleicht nicht doch als Chance, wenn es mehr kleinere, dafür anpassungsfähigere Stiftungen geben würde? Broker, also Berater, könnten sonst wirtschaftlich gezwungen sein selber als Anbietern aufzutreten?

Ich vertrete die Meinung, dass der Broker als Berater nicht Anbieter werden darf. Das eine schliesst das andere aus. Aufgabe des Brokers ist unabhängig und neutral zu beraten, entscheiden muss der Kunde. Er sieht dabei, dank der Transparenzregel, ausnahmslos sämtliche Kosten, selbstverständlich auch, wie hoch die Courtage ausfällt.

Aufgabe des Brokers ist unabhängig und neutral zu beraten, entscheiden muss der Kunde.

Fällt man Ihrer Ansicht nach also mit den Ideen von Bundesrat Berset wieder um Jahrzehnte zurück?

Ganze 35 Jahre um genau zu sein, als am 1. Januar 1985 das BVG eingeführt wurde. Wie immer ich dieses Vorhaben auch betrachte, ich sehe darin nur das Ziel der politischen Linken: die auch für ihre Wähler zutiefst unsoziale Verstaatlichung der 2. Säule.

Markus Lehmann, 1955, Präsident Verband Schweizerischer Versicherungsbroker SIBA. Begann seine Karriere bei der Winterhur, wechselte zur Elvia, dann zu Inhouse-Broker Basel-Stadt. Gefolgt von der Geschäftsführung bei Rimas AG und Regionaldirektion Nordwestschweiz bei National Versicherung. Seit 2018 Geschäftsleitungsmitglied bei Balrisk AG.

In der Politik war der ehemalige Spitzenhandballer – 82 Länderspiele für die Schweiz – aktiv. Sass von 1996 bis 2005 und von 2009 bis 2013 im Basler Grossen Rat, von 2011/12 als Grossratspräsident. Von 2001 – 2013 Präsident der CVP Basel-Stadt. Er vertrat den Stadtkanton als Nationalrat von 2011 bis 2015 in Bern und wirkte in mehreren Kommissionen mit. Verheiratet und Vater zweier erwachsener Töchter.



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