Sollen Ungeimpfte bei Covid-19 Behandlungskosten selber zahlen müssen?

22. November 2021 | Aktuell
Krankenhauspersonal kommt wegen Corona an seine Grenzen.

In diesen Tagen stiess der Lausanner Wirtschaftsprofessor Marius Brülhart die Diskussion an, ob Ungeimpfte bei Covid-19 selber zur Kasse gebeten werden müssten. Damit meinte er ein Zusatzversicherungsmodell, laut dem Nicht-Geimpfte zumindest einen Teil der Kosten selber bezahlen sollen. Bei andauernder Pandemie sei eine Diskussion über das Verursacherprinzip nötig.

Wie bereits bei bestimmten Risikosportarten möglich, wäre der Abschluss einer Zusatzversicherung möglich, welche erweiterte finanzielle Risiken abdeckt. Eine Zusatzversicherung für Ungeimpfte könnte die Covid-19-Behandlung übernehmen. Aber dürfen Versicherungsleistungen von gewissen Vorleistungen abhängig gemacht oder verweigert werden?

Droht Intensivstationen wieder der Kollaps?

Die Zahlen des Bundesamts für Gesundheit BAG vom 18. November zeigen, dass den Intensivstationen noch kein Zusammenbruch droht. Die gesamte Auslastung beträgt 80 Prozent, wovon 17,5 Prozent aufgrund von Covid-19-Patient*innen hospitalisiert sind. Noch beträgt die freie Bettenkapazität 20 Prozent. Von den 704 Patient*innen in den Akutstationen sind 154 Personen am Corona-Virus erkrankt. Die Werte sind jedoch derzeit täglich deutlich im Steigen begriffen. 

Im Unterschied zu anderen Patient*innen auf den Intensivstationen verbleiben Coronakranke wesentlich länger dort. Erfahrungswerte aus den Spitälern der «Gemeinsamen Gesundheitsregion» beider Basel besagen, dass Covid-19-Patient*innen der ersten Welle im Schnitt acht bis zwölf Tage auf der Intensivstation verbrachten. 

Ernsthafte Diskussion um höhere Krankenkassenbeiträge bei Ungeimpften in Deutschland

Da auch in Deutschland immer mehr Ungeimpfte in Intensivstationen landen und die Lage dort weit schlimmer ist als in der Schweiz, will eine Versicherung die Krankenkassenbeiträge für Ungeimpfte erhöhen. Laut Krankenversicherer AOK kostet ein/eine beatmete*r Covid-19-Patient*in in Deutschland durchschnittlich 34 200 Euro. Nun überlegt sich die R+V-Versicherung die Tarife nach Impfstatus zu unterscheiden. Als Argument nennt sie, dass beim Tarif privater Krankenkassen bereits jetzt zwischen Rauchern und Nichtrauchern unterschieden werde. 

Diesem Vorschlag wird von verschiedenen Seiten heftig widersprochen, unter anderem, weil Nicht-Geimpfte oft aus bildungsfernen Schichten stammen und ihnen die Beratung oder ein Hausarzt fehle. Zudem bedeute es eine Entsolidarisierung der Gesellschaft. Bildung, Information und weitere positive Anreize zur Stärkung der Prävention für Ungeimpfte seien das bessere Mittel.

Singapur bittet Ungeimpfte demnächst zur Kasse

Im Stadtstaat Singapur zahlen Ungeimpfte für die Intensivstation ab dem 8. Dezember selbst und dies obwohl die Impfquote dort bei 87 Prozent liegt. Allen Corona-Patient*innen, die sich hätten impfen lassen können, wird der Klinikaufenthalt zumindest teilweise in Rechnung gestellt. Bisher bezahlte die Regierung dort die vollständigen Covid-19-Krankenrechnungen aller Einheimischen.

Schweizer Krankenkassensystem solidarisch

Das Schweizer Krankenkassensystem hat einen Solidaritätsaspekt indem alle das gesetzliche Obligatorium (Grundversicherung) bezahlen. Es gilt das Prinzip der Kopfprämie, welche unabhängig vom Einkommen ist, jedoch je nach Alter, Wohnort und Krankenkasse variieren kann. Somit bezahlen auch die Nicht-Geimpften und deshalb darf ihnen keine Leistung gestrichen werden.

Solange das Schweizer Krankenkassensystem auf dem Solidaritätsprinzip basiert, wird die Politik Nichtgeimpfte bei einer Hospitalisierung wegen Covid-19 nicht zur Kasse bitten. Aus dem selben Grund werden auch keine Ausnahmen für Krankenhaus- und Altersheimpersonal gemacht werden.

Binci Heeb


Tags: #Covid-19 #Solidarität #Ungeimpfte