FSD Schweizerische Stiftung für Minenräumung beklagt Todesfall in der Ukraine
25. April 2022 | Aktuell InterviewsDie 1997 gegründete Schweizerische Stiftung für Minenräumung FSD ist ein Schweizer NGO, welches sich auf humanitäre Minenräumung und die Beseitigung von Umweltgefahren spezialisiert hat. Ihr Sitz ist in Genf. Sie ist bei der Basler RMS Risk Management Service AG (ASSEPRO-Gruppe) versichert. Vor wenigen Wochen ist In der Ukraine ein Mitarbeiter des FSD ums Leben gekommen. thebroker.ch spricht mit Bruno Kopp, Senior Consultant bei der RMS.
Herr Kopp, kam der Mitarbeitende des FSD bei der Räumung von Minen ums Leben?
Der Mitarbeiter hatte keinen Betriebsunfall. Er verunglückte anlässlich eines Bombenanschlages in einem Haus als er sein Auto aus der Garage holen wollte, um sich und seine Familie aus Mariupol zu evakuieren. Es tut mir sehr leid für den Verstorbenen, die Familie und die Organisation, dass dieser Unfall passiert ist.
Was musste die RMS bei diesem schlimmen Unglück unternehmen?
Da muss ich ausholen. RM ist ja der Consultant für Versicherungsfragen des FSD. Die Schweizerische Stiftung für Minenräumung ist sehr gut organisiert und hat für alle Einsätze klar definierte Notfallpläne. Der versicherungsadministrative Teil ist in diesen Notfallplänen und Prozeduren gut integriert. Wir konnten zudem für das FSD ausserdem eine Eigenversicherung mit eigener Rechnungslegung (RiskFund) installieren, welche die administrativen Abläufe bei unerwarteten Ereignissen definiert. So sind wir in der Lage Unfälle, wo immer sie auf der Welt passieren, innerhalb von 24 Stunden dem Versicherer zu melden. Jede(r) MitarbeiterIn des FSD verfügt über eine Notfallnummer und hat weltweit Zugang zu Assistance Leistungen. Konkret heisst die Antwort auf die Frage also: Wir haben den Versicherer telefonisch über das Unglück informiert und warten auf weitere Unterlagen.
Handelte es sich beim Toten um einen Ukrainer?
Ja, es handelte sich um einen lokalen Angestellten.
Ist die Familie des Verstorbenen in Sicherheit?
Ja, die Ehefrau ist meines Wissens in Deutschland untergekommen.
«Die FSD setzt sich über soziale Netzwerke für den Schutz von Zivilisten in der Ukraine ein: «Was ist zu tun, wenn man sich nahe eines Gefechts aufhält? Je mehr Beton und Ziegel um einen herum sind, desto besser «
Auszug aus dem FSD-Programm in der Ukraine.
Welche Arbeiten führt das FSD in der Ukraine aus?
Das Mandat des FSD beinhaltet hauptsächlich Information und Schulung der Bevölkerung im Umgang mit nicht explodierten Objekten. Meines Wissens werden auch hie und da gewisse Teile durch die Mitarbeitende entschärft.
Welche Art von Minen werden geräumt?
Das können nicht explodierte Teile sein, die aus der Luft oder vom Land abgeschossen wurden und teilweise auch beschädigt sind. Sie können deshalb nicht einfach zusammengetragen und wieder in Kisten versorgt werden. Ob die kriegsführende Parteie auch Personenminen asiatischer Bauart ausgelegt haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Hier vielleicht aus dem Zusammenhang heraus ein Zahlenspiel: Die Herstellung einer Mine inklusive Auslegen kostet so um die 5 Cents. Deren Entsorgung jedoch USD 500 US Dollar.
Eine hochgefährliche Arbeit, wo werden die Mitarbeitenden ausgebildet?Schult das FSD auch die Menschen, insbesondere die Kinder, vor Ort im Umgang mit Minen?
Das FSD rekrutiert die Experten aus anderen Organisationen. Oft handelt es sich um Fachleute aus Armeen, die ihr Wissen in die humanitären Organisationen einbringen. Ausserdem beherbergt die Schweiz die Institution «Geneva International Center for Humanitarian Demining (GICHD.org)», welche Regeln über die Arbeit ausarbeitet und sich in der Ausbildung engagiert. Das FSD hat einen engen Kontakt mit der Organisation. Besonders stolz macht mich, dass der durch die RMS für das FSD entwickelte RiskFund im Leitfaden von GICHD aufgeführt wird.
Schult das FSD auch die Menschen, insbesondere die Kinder, vor Ort im Umgang mit Minen?
Ja, das ist eine ganz wichtige und zentrale Arbeit des FSD in der Ukraine. Kinder sind so schnell im Wald oder auf dem Feld verschwunden. Wir kennen das alle, der Ball, der auf die Strasse rollt. An gewissen Orten der Welt kann die Bergung des Balls den Verlust des Beines oder den Tod bedeuten. Das ist dann ein wichtiges Thema im Kindergarten.
In welchen anderen Ländern ist das FSD sonst noch im Einsatz.Mitatrbeitende des Roten Kreuz oder des Roten Halbmonds bekleiden einen besonderen Status und werden im Normalfall nicht in Kriegshandlungen involviert. Wie sieht es mit den Mitarbeitenden des FSD aus?
Das FSD finanziert sich durch Hilfsgelder und entwickelt die Programme mit Ländern, Länderorganisationen (wie EU) und der UNO. Es arbeitet eigentlich Post-Conflict, also überall wo der Krieg gerade vorbei ist. Aktuell weiss ich von Missionen in Afghanistan, Tadschikistan, Irak, Zentral-Afrikanische Republik, Kolumbien und weitere. Das FSD hatte schon Mandate in Sri Lanka, Sudan, oder Libyen. Als humanitäre Organisation informiert es sehr transparent und ich lade die LeserInnen dazu ein, auf www.fsd.ch zu klicken und sich näher zu informieren.
Mitarbeitende des Roten Kreuz oder des Roten Halbmonds bekleiden einen besonderen Status und werden im Normalfall nicht in Kriegshandlungen involviert. Wie sieht es mit den Mitarbeitenden des FSD aus?
Wie gesagt, das FSD arbeitet nicht in den Konfliktzonen direkt. In der Ukraine wurde die Organisation – wie wir alle – einfach überrascht. Die Organisation arbeitet oft unter der Schutzherrschaft der UNO oder entwickelt die Akzeptanz in den Ländern selbst. Das Management kennt die Abläufe wie man sich in einem Land neutral installieren darf und kann. Wie wäre es anders möglich in Afghanistan trotz Machtwechsel durch die Taliban weiterzuarbeiten? Für mich ist die Herausforderung eigentlich den Versicherern, beziehungsweise deren Compliance-Angestellten beizubringen, dass die reine Tatsache an Orten zu arbeiten, die vom Westen sanktioniert sind, an sich keine Verletzung der Sanktionsbestimmungen bedeutet. Hier nerve ich mich erheblich über die Arroganz dieser Compliance-Leute und wünschte, dass die Universitäten ihre juristsichen Studenten ein bisschen besser im humanitären Völkerrecht und speziell bezüglich Ausnahmebestimmungen wirtschaftlicher Sanktionen der EU, der Schweiz und vor allem der USA ausbilden würden.
Hatte das FSD schon viele Tote zu beklagen?
Seit ich das FSD beraten darf, das dürfte so um die zwanzig Jahre sein, hatten wir eine Handvoll Todesfälle zu beklagen. Darunter waren es zwei Betriebsunfälle. Die restlichen Todesfälle waren Verkehrsunfälle sowie Tod infolge von Krankheit. Zum Vergleich: Das FSD beschäftig weltweit je nach aktuellen Missionen (welche manchmal einige Monate oder mehrere Jahre dauern) zwischen 800 und 2000 MitarbeiterInnen.
Das Interview hat Binci Heeb geführt.
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