Suva neu mit digitalisiertem Schadenmanagement
3. Juni 2022 | Aktuell AllgemeinDie grösste Unfallversicherung der Schweiz, die Suva, versichert rund zwei Millionen Berufstätige gegen die Folgen von Berufsunfällen, Berufskrankheiten und Freizeitunfällen. Seit Anfang Jahr arbeitet sie mit einem digitalisierten Schadenmanagement.
Als Folge der Industrialisierung, die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzte, verarmten Tausende Familien, weil Arbeitende in der Regel über keinen Schutz verfügten, wenn sie erkrankten oder einen Unfall erlitten und ihre Arbeit verloren. Erst 1875 und 1877 wurde die Haftpflicht in der Schweizerischen Gesetzgebung verankert. Die Suva wurde 1912 als Antwort auf diese sozialen Probleme gegründet. Nach der Militärversicherung war sie das erste grosse Sozialwerk der Schweiz.
Ludwig Forrer sei Dank
Es war Nationalrat und Arbeiteranwalt Ludwig Forrer, der einen ersten Gesetzesentwurf für die Unfallversicherung schrieb. Bis die Unfallversicherung 1912 eine Volksmehrheit fand, brauchte es zwei Anläufe. Sie bildete die Grundlage für die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt in Luzern. Die Abstimmung war äusserst knapp, sodass Bundesrat Robert Comtesse ein folgenschweres Versprechen abgab.
Folgenschweres Versprechen
Robert Comtesse sagte den privilegierten Eisenbahnern und Postbeamten die Besitzstandswahrung zu. Sie hatten somit Anspruch auf 100 Prozent des Krankengeldes ab dem ersten Tag, im Gegensatz zu den übrigen Versicherten, die nur 80 Prozent ab dem dritten Tag erhielten. Mit seiner «Promesse Comtesse» schuf er eine Zweiklassengesellschaft im ersten Sozialwerk der Schweiz. Diese führte in der Politik und in der Suva zu erheblichen Irritationen. Als Lösung wurden für SBB und Post Spezialagenturen errichtet. Erst als die beiden Bundesbetriebe 1999 in öffentlich-rechtliche Anstalten umgewandelt wurden, konnte diese Sonderlösung abgeschafft werden.
Novum in Europa
Als Monopolanstalt für die Versicherung von Arbeitstätigen in gefährlichen Berufen gegründet, war die Suva auch für die Unfallverhütung und die Versicherung der Nichtberufsunfälle zuständig – ein Novum in Europa. An der Monopolstellung der Suva änderte sich bis 1984 nichts. Mit der Revision des Unfallversicherungsgesetzes wurde die Versicherungspflicht auf alle Berufe ausgedehnt und der Markt für weitere Unfallversicherer geöffnet. Die Suva blieb zuständig für die risikobehafteten Berufe in Industrie und Gewerbe. Alle anderen können nun die Versicherung wählen.
2022 – Digitalisierung des Schadenmanagements
Immer mehr Versicherungen digitalisieren ihre Prozesse, so auch seit Anfang Jahr die Suva, die ihr Schadenmanagement neu strukturiert hat. Bis Ende 2025 soll das Programm vollumfänglich umgesetzt und abgeschlossen sein. Zu diesem Zeitpunkt sollen 800 Vollzeitstellen im Schadenmanagement, bei denen die Automatisierung zum Tragen kommt, um 20 Prozent reduziert worden sein. Der allergrösste Teil davon erfolgt durch natürliche Fluktuation und Pensionierungen. Parallel kommt es auch zu neuen Arbeitsplätzen, beispielsweise in der Datenverarbeitung. «Ziel ist, auch in Zukunft ein kundenorientiertes, effektives und effizientes Schadenmanagement und risikogerechte Prämien anbieten zu können», sagt Mediensprecherin Simone Isermann gegenüber thebroker.ch. Die Anpassung beinhalte teilweise eine Automatisierung, aber auch weiterhin persönliche Betreuung.
Persönliche Beratung und Automatisierung ergänzen sich
Einfache Arbeiten würden zunehmend automatisch erledigt, da es keine oder nur punktuelle Interaktionen zwischen den Beteiligten und der Suva gibt (beispielsweise die Bearbeitung von Bagatellunfällen wie Schnittverletzungen oder Verstauchungen). Um komplexe Aufgaben – zum Beispiel Wiedereingliederungen nach schweren Unfällen – kümmern sich die Mitarbeitenden persönlich. Kund*innen erhielten so rascher Unterstützung, weil die Fachpersonen der Suva dadurch mehr Ressourcen für diejenigen Fälle hätten, die eine hohe Spezialisierung erfordern. Mitarbeitende würden mit Verunfallten, Betrieben, Leistungserbringern und weiteren Partner*innen immer dann persönlich Kontakt aufnehmen, wenn es vom Verlauf her sinnvoll oder notwendig sei.
Konkreter Nutzen für Kund*innen
Die Suva bearbeitete im vergangenen Jahr rund 450 000 Unfallmeldungen. Den konkreten Nutzen für ihre Kund*innen sieht die Suva in einer erhöhten Kundenzufriedenheit durch mehr Zeit für Kund*innen mit komplexen Fällen und einer schnelleren Leistungserbringung, da Fälle gezielter erledigt werden könnten. Zudem spielt die erhöhte Effizienz durch schlanke, digitale und standardisierte Prozesse eine grosse Rolle sowie die Senkung der Kosten (Prozess- und Leistungskosten), welche zu tiefen Netto-Prämien führen. Schliesslich erhofft sich die Suva eine geringere Fehlerquote und eine Erhöhung der Qualität.
Die Suva bleibt also seit ihren Anfängen Vorreiterin auf dem Versicherungsmarkt. Auf der Seite der Broker gilt es noch einiges aufzuholen.
Binci Heeb
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