SIBA: Interview mit Marco Natoli, Geschäftsführer der Swiss Insurance Brokers Association

13. Dezember 2021 | Aktuell Interviews
Marco Natoli, Geschäftsführer SIBA anlässlich der 30. GV des Verbands.

SIBA, der Verband Schweizerischer Versicherungsbroker existiert bereits seit 1991 und vertritt die Interessen der von ihm vertretenen Versicherungsbroker gegenüber Aufsichtsbehörden, dem Schweizerischen Versicherungsverband SVV, den Konsumentenschutzorganisationen und der Wirtschaft. Zudem äussert er sich zu neuen Gesetzesvorlagen und politischen Fragen. thebroker im Gespräch mit SIBA-Geschäftsführer Marco Natoli.

Marco Natoli, seit eineinhalb Jahren sind Sie Geschäftsführer der SIBA. Ist das ein Fulltime-Job?

Ja, ich bin vollamtlich Geschäftsführer der SIBA. Meine geschätzten Vorgänger übten diese Funktion im Teilzeitpensum aus. Da aber die Arbeitsbelastung für den Milizvorstand derartig zugenommen hat, wurde entschieden, aus dem Posten des Geschäftsführers eine vollamtliche Stelle zu kreieren. Dadurch konnte man grosse Teile der operativen Führung an den Geschäftsführer delegieren. Es ist ein Fulltime-Job, welcher mich auch bis spät in die Nacht und am Wochenende beansprucht, mir aber höllischen Spass macht, weil er so abwechslungsreich und alles andere als «gewöhnlich» ist. Mein Job und setzt viel politisches Gespür voraus, das macht ihn auch so attraktiv.

Woraus besteht Ihre Arbeit hauptsächlich?

Meine Tätigkeiten lassen sich sehr gut mit denjenigen eines Generalsekretärs einer politischen Partei vergleichen. Ich fungiere primär als Anlauf- und Schnittstelle zwischen dem Vorstand, den Mitgliedern und externen Interessengruppen wie den Wirtschaftsverbänden. Ich habe also unter anderem mit dem Schweizerischen Versicherungsverband SVV, Economiesuisse und dem Arbeitgeberverband zu tun. Aber auch mit der Verwaltung, wie der FINMA und dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF sowie den Medienpartnern stehe ich im Austausch

Neben dem üblichen Tagesgeschäft, das die operative Führung einer Geschäftsstelle mit sich bringt, ist unter meiner Führung die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit stärker in den Vordergrund gerückt. Wir wollen auch in der Medienlandschaft und in den sozialen Medien stärker wahrgenommen werden. Neben den repräsentativen Aufgaben und der Betreuung der Mitglieder liegt ein grosser Schwerpunkt im Verfassen von Positionspapieren, Stellungnahmen, Vernehmlassungen und Factsheets sowie die Unterstützung der Vorstandsmitglieder in den jeweiligen Ressorts.

Welches waren die grössten Herausforderungen, mit denen Sie bisher zu tun hatten?

Auf regulatorischer Seite sind unsere zwei Dauerbaustellen zu erwähnen: Einerseits ist da der berüchtigten Art. 69 E-BVG, der dem Bundesrat die Kompetenz erteilen soll, die Vermittlungsentschädigung ist da in der 2. Säule auf Verordnungsweg zu regeln. Andererseits stellt die Teilrevision des Versicherungsaufsichtsgesetzes VAG eine grosse Herausforderung dar. Ein Riesenprojekt, in welches wir stark involviert sind und indem wir versuchen unsere Mitglieder und schlussendlich den gesamten Brokermarkt zu vertreten. Eines kann ich aber schon vorwegnehmen: Es wird mit dem neuen VAG eine starke Verschärfung der Gesetzgebung und Aufsicht für den Brokermarkt geben – diese ist alternativlos.

Zum Beispiel?

Beispielsweise in der Ausbildung, wo es eine Ausbildungs- und Weiterbildungspflicht geben wird. Auch das Reporting und Controlling wird aufwändiger werden.

Sind SVV und SIBA in Bezug auf Art. 69 und die Teilrevision des VAG gleicher Meinung?

In Bezug auf den Art. 69 E-BVG ohnehin. Die Broker betrifft nur ein kleiner Teil des VAG. In den Punkten, wo Schnittmengen zwischen beiden Verbänden bestehen, ist die Zusammenarbeit sehr gut.

Am 20. Mai titelte der Tagesanzeiger: «Versicherte zahlen Millionen an Broker». Die SIBA sah sich gezwungen eine Stellungnahme abzugeben. Was war passiert?

Es passierte, was zu erwarten war. Wir können das gleiche Phänomen auch in der gegenwärtigen Coronakrise beobachten. Man braucht eine Falschaussage nur oft genug zu wiederholen, dann wird ein Narrativ aufgebaut, welches das kollektive Gedächtnis bestimmt. Kurz vor der entscheidenden Sitzung der ständerätlichen Gesundheitskommission im vergangenen Mai haben unsere Gegner wiederum den Versuch unternommen, die breite Öffentlichkeit bewusst zu täuschen. Sie erhofften sich, dass durch eine öffentliche Empörungswelle einzelne Mitglieder der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates SGK-S einknicken – was jedoch nicht geschah.

Wir wurden kurz vor Erscheinen des Artikels mit den immer gleichen Vorwürfen konfrontiert – unsere Antworten fanden aber im besagten Artikel im «Tagi», im Verhältnis zu unseren Gegnern, wenig Gehör. Besonders überrascht waren wir nicht. Einfallsreich war der Artikel auch nicht, es waren die gleichen unsachlichen und pauschalen Beschuldigungen, die das PK-Netz und der Schweizerische Pensionskassenverband Asip seit Jahren gegen den Berufsstand des Brokers ins Spiel bringt. «Recycling-Journalismus» nennt man das glaube ich. 

Am 15. Juni lehnte der Ständerat die Regelung für Entschädigung von Brokern in der 2. Säule ab. Denken Sie, dass der Nationalrat diesem Votum folgen wird?

Ein erster Schritt in die richtige Richtung wurde bereits unternommen. Die nationalrätliche Gesundheitskommission ist vor kurzem dem Ständerat gefolgt und beantragt mit 16 zu 9 Stimmen ebenfalls die Streichung des Art. 69 E-BVG. Nun wird das Geschäft voraussichtlich im kommenden Jahr im Plenum des Nationalrates diskutiert – warten wir es ab. Es gibt im Leben nichts unsicheres als Politik. Auch wenn der Entscheid positiv ausfallen sollte, darf damit gerechnet werden, dass die Courtagen-Thematik weitergehen wird.

Die Mitgliederzahl der SIBA lag im Sommer 2020 bei 93 Mitgliedern. Hat sich diese inzwischen erhöht?

Momentan zählen wir 95 Mitgliedsfirmen. Ohne Fusionen und Übernahmen wären wir schon lange über der goldenen Marke von 100. Seitdem Markus Lehmann das Präsidium übernommen hat konnten wir einen starken Zuwachs verzeichnen. Unsere Mitglieder betreuen zurzeit ein Prämienvolumen von ca. 10.2 Milliarden – das ist beeindruckend und gleichzeitig eine grosse Verantwortung, derer wir uns gerne annehmen.

Worin bestehen die Vorteile einer SIBA-Mitgliedschaft?

Die SIBA-Berufsstandards und der «Code of Conduct» garantieren eine hohen Qualitäts-Standard der angeschlossenen Mitgliedsfirmen. Die Marke SIBA ist somit ein Qualitätslabel. Unsere Mitglieder haben mit dem SIBA-Qualitätslabel einen wichtigen Wettbewerbsvorteil. Der Kampf für ein gutes regulatorisches Umfeld für den Berufsstand des Versicherungsbrokers ist eine zentrale Aufgabe der SIBA. Wir stehen gegen unnötige Bürokratie, für die Unabhängigkeit der Broker und für den Erhalt des Courtagesystems ein und nehmen nehmen zu neuen Gesetzesentwürfen Stellung.

Daneben setzt sich der SIBA bei den Versicherungsgesellschaften auf oberster Ebene für die Belange unserer Mitglieder ein. Wir stellen sicher, dass unsere Mitglieder, ob gross oder klein, gleichbehandelt werden. Ungerechtfertigte Nachteile oder Vertragsanpassungen werden vom Verband abgewehrt.

Die Axa ist per Ende letzten Jahres aus dem SVV ausgetreten. Gab es auch bei der SIBA Austritte von grossen Brokern?

Ja, auch wir mussten den Austritt von grossen Mitgliedern verkraften – ein Schicksal, das wir mit sehr vielen Verbänden teilen. Vor einigen Jahren sind die grossen Broker Aon und IBC aus dem Verband ausgetreten, weil sie in der Mitgliedschaft keinen Mehrwert mehr sahen. Mittlerweile sind beide Unternehmen wieder der SIBA beigetreten sind und soweit ich es beurteilen kann mit unserer Arbeit sehr zufrieden. Branchenverbände haben es zurzeit generell etwas schwer. Man muss den Mitgliedern ständig den Mehrwert einer Verbandsmitgliedschaft aufzeigen.

Zu den Spekulationen, wieso die Axa aus dem SVV ausgetreten ist, möchte ich mich nicht äussern, da wurde medial ja bereits einiges darüber berichtet. Ich kann nur für uns festhalten, dass wir mit dem SVV eine sehr gute und kollegiale Zusammenarbeit pflegen und die Arbeit des SVV sehr schätzen.

Seit zwei Jahren ist die SIBA eine strategische Zusammenarbeit mit der IG B2B eingegangen. Wie entwickelt sich diese?

Wir müssen zwei Themen getrennt betrachten. Die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen der IG B2B und der SIBA waren schon immer gut und sind es immer noch. Die IG B2B verbindet die Interessen von Versicherern, Brokern und Softwareherstellern in Bezug auf die Ausgestaltung des elektronischen Geschäftsverkehrs im Brokermarkt. Das heisst, die IG B2B erarbeitet branchenweite Standards und stellt diese ihren Mitgliedern zur direkten Nutzung und Entwicklung zur Verfügung.

Kernstück der IG B2B ist der EcoHub. EcoHub ist eine interaktive Online-Plattform und ein digitaler Markplatz, auf welcher und auf welchem alle Marktteilnehmer als offene Community die digitalen Services anderer Anbieter nutzen, eigene Lösungen anbieten und so das Angebot mitgestalten können. Die IG B2B befindet sich zurzeit in einem Transformationsprozess hin zu einem Service Provider, der kundenorientiert und dynamisch agieren soll. Der Hauptschwerpunkt liegt somit in der Gestaltung dieses Transformationsprozesses. Wir sind daher sehr gespannt, wie die Beteiligten rund um den neuen Vorstand diese Transformation gestalten möchten und beobachten dies natürlich mit grossem Interesse.

Wie gross ist die Angst, dass die Versicherer die Interessengemeinschaft dominieren?

«Angst» und «dominieren» sind Begriffe, die der ganzen Thematik nicht gerecht werden. Versicherer und Broker haben unterschiedliche Interessen. Das lässt sich, wie ich glaube, nicht negieren und das Gegenteil zu behaupten wäre unehrlich. Sowohl die Versicherer wie auch die Broker wissen, dass wenn eine Seite versucht eine dominante und bestimmende Rolle einzunehmen, das Gemeinschaftsprojekt IG-B2B zum Scheitern verurteilt ist. Und es soll ja schliesslich genau dies sein, ein Gemeinschaftsprojekt sein.

Man muss fairerweise sagen, dass es «die» Versicherer und «die» Broker nicht gibt. Das sind in sich heterogene Gruppen mit unterschiedlichen Interessen. Ich bin sonst kein grosser Fan von Co-Präsidien, aber ich glaube, die Besetzung des IG-B2B-Präsidiums mit jeweils einem Vertreter von der Broker- und Versicherer-Seite war ein geschickter Schachzug, der eine breite Akzeptanz schafft. Ich bin mir sicher, dass Patrick Germann und Markus Lehmann mit dem neu gewählten Vorstand in der Lage sein werden, die IG B2B als Gemeinschaftsprojekt zwischen Broker und Versicherer zum Reüssieren zu verhelfen.

Was tut die SIBA in Sachen Ausbildung?

Wir sind selbst kein Ausbildungsinstitut und führen keine eigenen Zertifizierungen durch. Wir arbeiten aber mit den wichtigsten Bildungsinstitutionen im Bereich der Versicherungs- und Finanzwirtschaft zusammen, beispielsweise mit der Interessengemeinschaft Ausbildung im Finanzbereich IAF, dem Berufsbildungsverband der Versicherungswirtschaft VBV oder mit den Hochschulen HSG und ZHAW. Wir entwickeln Hand in Hand bestehende Ausbildungsmodule weiter oder rufen neue ins Leben, wie kürzlich den «Diplomierten Berater Berufliche Vorsorge».

Es fällt auf, dass in den Chefetagen der Broker kaum Frauen zu finden sind. Was sind die Gründe dafür?

Diese Beobachtung habe natürlich auch ich gemacht als ich anfing mich mit dem Brokergeschäft auseinanderzusetzen. Ich denke, dass die Zahlen flächendeckend sind mit den Zahlen in der gesamten Versicherungswirtschaft. Leider sind tatsächlich zu wenige Frauen in Top-Positionen zu finden. In unserem Vorstand sitzt aber mit Helena Sievi, Partnerin bei ARISCO Vorsorge AG, zumindest eine Frau.

Welches sind die zukünftigen Herausforderungen der SIBA?

Verbandsintern ist sicherlich der Umgang mit den vielen Fusionen und Übernahmen, die sich im Schweizer Brokermarkt häufen, ein zentrales Thema. Dann stellen wir uns die Frage, wie die SIBA strategisch aufgestellt ist und welchen Verband es in Zukunft brauchen wird. Die unmittelbare Umsetzung der VAG-Revision und deren Folgen sind ein weiterer sehr wichtiger Punkt. Wir möchten den bürokratischen Aufwand für unsere Mitglieder so klein wie möglich halten. Die Angriffe auf das bewährte Courtagensystem werden mit Sicherheit weitergehen – auch wenn der Art. 69 E-BVG vom Nationalrat gestrichen werden sollte, ist die letzte Schlacht sicherlich noch nicht geschlagen.

Der Basler Marco Natoli ist seit Juli 2020 Geschäftsführer der Swiss Insurance Brokers Association SIBA. Der 29-Jährige studierte Wirtschaftswissenschaften und Geschichte an den Universitäten Basel und Zürich und schloss das Studium mit dem Master ab. Bereits während seiner Studienzeit sammelte er erste berufliche Erfahrungen in der Versicherungswirtschaft. So war er vor seinem Engagement bei der SIBA fast drei Jahre lang bei der Baloise Group tätig. Marco Natoli ist in einer Beziehung und lebt mit seiner Partnerin in Basel.


Das Interview mit Marco Natoli hat Binci Heeb geführt.

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