Ukraine-Unterstützung: Was bedeutet das für die Versicherungsbranche?

2. Dezember 2022 | Aktuell Allgemein
Ukraine-Konflikt: Blick auf ein ziviles Gebäude, das nach einem russischen Raketenangriff auf die Stadt Kiew beschädigt wurde. Foto von palinchak.
Ukraine-Konflikt: Blick auf ein ziviles Gebäude, das nach einem russischen Raketenangriff auf die Stadt Kiew beschädigt wurde. Foto von palinchak.

Auf welche Probleme stossen Broker und Versicherer beim Versicherungsschutz bezüglich dem seit dem 24. Februar 2022 von den Russen begonnenen Angriffskrieg?

In meiner Tätigkeit als Versicherungsbroker at Lloyd’s und Coverholder at Lloyd’s wurde ich von verschiedenen Organisationen und Institutionen angefragt, ob es mir möglich wäre, deren Versicherungsdeckungen für Personen- und Sachversicherungen im Lloyd’s Versicherungsmarkt zu platzieren.

Zunächst wurden die willigen Underwriter in Lloyd’s von ihren Compliance-Departments zurückgepfiffen. Zu Beginn des Konfliktes war es noch ziemlich unsicher gewesen, welche Sanktionen zum Tragen kommen würden. Da die Versicherungsobjekte möglicherweise in der umkämpften Region im Donbass liegen könnten, oder die zu versichernden Personen in den umkämpfenden Regionen lebten oder arbeiteten, gingen die Compliance-Departements davon aus, dass mit der Belagerung und nachfolgender Annektierung die Sanktionen auch für jene Regionen gelten und somit die Zusicherung des Versicherungsschutzes nicht mehr möglich sein würde. Um ja nichts falsch zu machen, wurde den Underwritern grundsätzlich jede Abgabe von Deckungen und somit jegliche Tätigkeit für die ganze Ukraine verboten. 

Diese Compliance Geschichte ist inzwischen in den Hintergrund getreten.

Heute stelle ich fest, dass der Versicherungsschutz für konventionelle Risiken grundsätzlich nicht angeboten wird, obwohl in den Verträgen Kriegsrisiken völlig ausgeschlossen werden. Die Argumente lauten, das Risiko sei zu hoch, man habe bereits so viel zahlen müssen. Für mich als professionellen Versicherungsbroker sind dies völlig unhaltbare Argumente.

Ich erhalte Offerten für Unfallversicherungen. Die aktuellen Tagesprämien liegen bei 200 Franken für die Deckungen, um die 500 000 Franken für Tod, Invalidität und Heilungskosten. Wegen fehlender Kontakte zu Assistance-Unternehmen werden Leistungen für Rückführungen und Heilungskosten erst ausserhalb der ukrainischen Grenze erbracht, davon ausgenommen natürlich Behandlungen in Russland und Belarus. Die verunfallte Person muss also selbst schauen, wie sie die Grenze erreicht.

Ein derartiges Zusammenbrechen des Versicherungsmarktes, welches gemäss meiner Kontakte in London in erster Linie durch die Ausschlüsse der Rückversicherer ausgelöst wurde, habe ich in keinerlei ähnlichen Konflikten auf der Welt erlebt. Weder in Syrien, diversen Zonen Afrikas und selbst in Afghanistan gerieten die Prämien und Deckungen derart unter Druck. Immer war es möglich, in jenen Regionen trotz Konflikten die Deckungen zu erhalten, sofern die jeweils sanktionierenden Behörden die Bewilligungen für die zu versichernden Tätigkeiten erteilten.

Ich frage mich, ob in einer solchen wirtschaftlichen Situation, die anlässlich der zahlreichen Geberzusammenkünfte gemachten Unterstützungs-Zusagen der Politik, zum Tragen kommen können, wenn die zu helfenden Organisationen den notwendigen Versicherungsschutz für Personal und Sachwerte gar nicht erhalten. Wenn ich in der Geschichte nachblättere, dann stelle ich fest: Da waren die Gründer der Versicherungswelt erheblich kreativer und risikobereiter. Schade eigentlich. Dass Versicherer und Rückversicherer in ihrer Schlüsselrolle zur Risikoabdeckung die notwendigen Wiederaufbaumassnahmen in der Ukraine regelrecht ausbremsen, finde ich bedauerlich.

Bruno Kopp

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Tags: #Angriffskrieg #Lloyd' Versicherungsmarkt #Ukraine #Versicherungsschutz