Wenn das Geld fürs Alters- und Pflegeheim nicht mehr reicht

12. März 2021 | Aktuell

Im Jahr 2019 lebten laut Bundesamt für Statistik 158’844 Personen in einem Alters- und Pflegeheim. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug knapp 2,5 Jahre. 

In weniger als zwanzig Jahren wird die jahrgangsstarke Baby Boomer-Generation zu einem grossen Teil pflegebedürftig. Bis dahin werden sich voraussichtlich die heutigen Kosten für die Pflege vervielfachen. Doch bereits heute reicht das Geld der Pflegebedürftigen für die Heimkosten nicht aus. Die Frage wird laut, ob die Schweiz für die Unterstützung sogenannter «grauen Tsunamis» eine obligatorische Pflegeversicherung einführen wird.

Das Schweizer Gesundheitssystem gehört zu den teuersten der Welt, dies ist allgemein bekannt. Der Gesundheitszustand der Bevölkerung darf denn auch als sehr gut bezeichnet werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Europas und weiten Teilen des Globus profitieren Patient*innen von kurzen Wartezeiten und einem dichten Netz von Gesundheitspersonal und Spitälern. Zudem ist die Grundversicherung, gemäss Krankenversicherungsgesetz KVG, seit 1996 für alle Bürger*innen Pflicht. 

Teurer Aufenthalt im Heim

Obwohl immer mehr ältere Menschen bis zu ihrem Tod in den eigenen vier Wänden verbleiben möchten, sind die Alters- und Pflegeheimen voll, es bestehen Wartelisten. Das Leben in einem Alters- und Pflegeheim geht ins Geld, je nach Pflegebedürftigkeit und Wohnkomfort betragen die Aufenthaltskosten laut Curaviva durchschnittlich stolze 6’000 Franken monatlich. Kosten für Betreuung, Krankenkassenprämien und Selbstbehalt, Telefon/Handy, Versicherungen, Steuern und Mobilität kommen dazu. Solche Beträge können nur sehr wenige Betagte über längere Zeit aufbringen. 

Die Krankenkasse übernimmt einen Teil der Pflegekosten, doch nur gerade unmittelbar nach einer Operation oder Krankheit. Patienten müssen einen beträchtlichen, vertraglich festgelegten Teil der pflegerischen Leistungen (unter anderem: Verbandswechsel, Wundreinigung und Verabreichung von Spritzen) selbst bezahlen. Die oft verbleibenden ungedeckten Pflegekosten tragen Kantone und Gemeinden.

Weil AHV, Pensionskasse und Vermögen zur Deckung der Heimkosten oft nicht mehr ausreichen, nehmen 50 Prozent aller Heimbewohner*innen Ergänzungsleistungen in Anspruch. Im Durchschnitt beläuft sich dieser Betrag monatlich über 3’000 Franken. Das eigene Vermögen ist bei Alleinstehenden nur bis 37’500 und bei Ehepaaren bis 60’000 Franken unantastbar. Liegenschafts-Besitzern*innen bleibt eine Vermögensfreigrenze von 300’000 Franken. Der Rest – falls überhaupt vorhanden – schmilzt von Tag zu Tag.

Verwandte werden in die Pflicht genommen

Wer Pflege braucht, aber nicht mehr über die dafür nötigen Mittel verfügt, muss von der Verwandtschaft unterstützt werden. Das wird vielen Familien erst bewusst, wenn sie plötzlich massiv zur Kasse gebeten werden. Die gegenseitige Unterstützungspflicht in auf- und absteigender Linie (Kinder – Eltern – Grosseltern) ist in den Artikeln 328 und 329 ZGB geregelt. Ausgenommen sind Geschwister, Stiefeltern und Stiefkinder sowie verschwägerte Personen. Kommen mehrere zur Unterstützung verpflichtete Verwandte in Frage, so sind primär Familienmitglieder ersten Grades (Eltern, Kinder) heranzuziehen. Unter Verwandten gleichen Grades besteht eine nach ihren finanziellen Verhältnissen anteilmässige Verpflichtung.

Wie weit geht die Unterstützungspflicht für Verwandte?

Sollten die Einkünfte und Ergänzungsleistungen nicht zur Deckung der Heimkosten ausreichen, kommt ein Antrag auf Sozialhilfe zum Tragen. Doch bereits in diesem Fall können Kinder und Eltern dazu verpflichtet werden, sich an den Kosten zu beteiligen. Voraussetzung ist bei Alleinstehenden ein Jahreseinkommen von über 120’000 Franken, beziehungsweise 180’000 Franken bei Ehepaaren plus 20’000 Franken pro minderjähriges oder in Ausbildung befindliches Kind. Beträgt das Vermögen von Alleinstehenden über 250’000 Franken, bei Ehepaaren 500’000 Franken plus 40’000 Franken pro minderjähriges oder in Ausbildung befindliches Kind, können tiefere Einkommen als genannt zu einer verpflichtenden Verwandtenunterstützung angeordnet werden. 

Wie also sieht es mit einer Alters- und Pflegeheimversicherung aus?

Man kann sich für oder gegen praktisch alles versichern, doch eine Deckung für den längeren Aufenthalt in einem Alters- und Pflegeheim ist offiziell auf dem Markt nicht zu finden. Krankenkassen bieten zwar Pflegedeckungen an, jedoch reichen diese nicht aus. Die Einführung einer obligatorischen Pflegeversicherung dürfte wohl selbst die jüngste Generation nicht mehr erleben.

Sprechen Sie rechtzeitig mit Ihrem Broker, er wird im Vorsorgebereich nach einer hoffentlich hilfreichen Lösung suchen. 

Binci Heeb


Tags: #Alters- und Pflegeheim #Heimkosten #Verwandte in der Pflicht