Die Frage der Kostengutsprache vor Operationen
21. Juni 2021 | AktuellZusatzversicherte wähnen sich oft optimal versichert und kümmern sich wenig darum, ob ihre Krankenversicherung den vollen Aufwand einer Operation auch bezahlt. Und selbst wenn, übernehmen Krankenkassen solche Zusatz-Belastungen erst nach vorgängig geklärter Kostengutsprache.
Nehmen wir ein Beispiel: Silvia Müller hatte es sich bereits gedacht, als sie die Diagnose erhielt, dass sie ein neues Hüftgelenk benötigte. Schon zu lange plagte sie sich mit grossen Hüftschmerzen herum. Die Schweiz gilt zwar als «Hüftgelenke-Mekka» der Welt, nirgends werden mehr solche künstlichen Gelenke eingesetzt wie hier. Expert*innen und Kassen sind allerdings der Meinung, dass erst operiert werden soll, wenn alle anderen konservativen Behandlungsmethoden ausgeschöpft sind, wie nun bei Frau Müller.
Was wird bei einer Hüftgelenks-OP gemacht?
Die Hüftgelenks-Operation erfolgt meist in Vollnarkose, wobei auch eine Rückenmarksanästhesie möglich ist. Sie wird möglichst schonend mit minimalinvasiven Verfahren durchgeführt. Nach dem Zugang zum Hüftgelenk wird dieses ausgerenkt und zuerst der Hüftkopf entfernt. Bevor das neue Hüftgelenk aus Titan eingesetzt wird, muss die Hüftgelenkpfanne ausgefräst werden. Erst dann wird das künstliche Gelenk eingerenkt, auf Stabilität überprüft und die Wunde verschlossen. Der Eingriff dauert ein bis zwei Stunden.
Patient*innen machen, in Begleitung eines Physiotherapeuten oder einer Physiotherapeutin, bereits in den ersten Stunden nach der Operation erste Schritte. Die Entlassung aus dem Spital erfolgt nach vier bis fünf Tagen. Bei gutem Verlauf können Patient*innen bereits vier bis sechs Wochen später wieder leichte körperliche Arbeiten aufnehmen.
Was zahlen Patient*innen für eine solche Spitalbehandlung?
Im Rahmen der Kostenbeteiligung muss Frau Müller, wie alle Versicherten für Klinikaufenthalte, einen Betrag an die Kosten der bezogenen Leistungen mittragen. Bei stationären Spitalbehandlungen besteht die Kostenbeteiligung aus der von der versicherten Person gewählten Franchise, dem allgemeinen Selbstbehalt und einem täglichen Beitrag an die Kosten des Aufenthaltes. Normalerweise stellt das Spital für die von ihm erbrachten stationären Leistungen zwei Rechnungen aus: eine an den Kanton über mindestens 55 Prozent des Gesamtbetrags und eine an den Krankenversicherer über maximal 45 Prozent des Gesamtbetrags.
Wann entstehen für Versicherte zusätzlich Mehrkosten?
Patienten haben mit Mehrkosten zu rechnen, wenn sie ohne Vorliegen eines Notfalls eine nicht auf der Spitalliste des Wohnkantons verzeichnetes Klinik oder ein Vertragsspital wählen. In einem solchen Fall gilt die Regel, dass Krankenkasse und Wohnkanton bei stationärer Behandlung die Vergütung anteilsmässig höchstens nach dem Tarif übernehmen, der in einem Listenspital des Wohnkantons gilt. Liegen die Kosten des gewählten Spitals höher als die der Listenspitäler, hat die versicherte Person selbst oder ihre Zusatzversicherung die Vergütungsdifferenz zu tragen.
Kostengutsprache vor der Operation
Um eine Kostengutsprache des Versicherers zu erhalten, müssen Spitäler und Ärztepersonal ein schriftliches Formular an den betreffenden Krankenversicherer schicken. Unter «Kostengutsprachen» versteht man eine gegenseitige Limitierung von Risiken vor dem Zeitpunkt der Leistungserbringung. Die Garantie der Kostenübernahme ist in der Regel zeitlich limitiert. Die Versicherung erhält Kenntnis des Spitalaufenthalts des Patienten oder der Patientin zur Abklärung der Leistungspflicht Kenntnis. Sie wird über die medizinische Indikation, beziehungsweise über die Eintrittsdiagnose zur Voreinschätzung der Zweckmässigkeit informiert. Erst danach erfolgt die Kostengutsprache, die abhängig ist vom vereinbarten Tarif des Akutspitals ist.
Die Kostengutsprache ist beispielsweise unabdingbar, wenn die versicherte Person sich aus medizinischen Gründen in einer nicht gelisteten Klinik behandeln lässt, weil kein Listenspital des Wohnkantons die erforderliche Leistung anbietet.
Ist eine Zusatzversicherung für freie Spitalwahl in der ganzen Schweiz nötig?
Da Versicherung und Wohnkanton die Vergütung der Kosten, höchstens aber den Aufwand, der diese Behandlung vor Ort verursacht hätte, nur anteilmässig übernehmen, lautet die Antwort «ja». Sollte der Tarif im behandelnden ausserkantonalen Spital höher liegen als der in einem Listenspital des Wohnkantons der versicherten Person, geht die Differenz zu Lasten der oder des versicherte*n Patient*in oder gegebenenfalls zu Lasten der oder deren oder dessen Zusatzversicherung. Die volle Kostenübernahme durch die Grundversicherung erfolgt jedoch in jedem Fall, wenn die ausserkantonale stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen nötig war, in einem Notfall oder die konkrete Behandlung in einem Listenspital des Wohnkantons nicht angeboten wird.
Was sollte weiter beachtet werden?
Fragen nach einer Kostengutsprache bei Leistungen, die über die Grundversicherung hinaus nicht gedeckt sind (z.B. die Garantie eines Einzelzimmers, der frei gewählte Aufenthalt in einer Privatklinik, medizinisch alleine nicht begründbare kosmetischen Korrekturen etc.) tauchen ausnahmslos vor jedem Eingriff auf. Selbst bei einer scheinbar wasserdichten Zusatzversicherung, kann es hier zu teuren Meinungsverschiedenheiten kommen. Eine rechtzeitige persönliche Vorabklärung mit Ihrem Broker oder dem Versicherer erspart später, mühsame Diskussionen und böse Überraschungen.
Die Hüftgelenksoperation von Frau Müller wurde in einem Listenspital durchgeführt und war erfolgreich, unerwartete Mehrkosten fielen keine an.
Binci Heeb