Wie schützt man sich vor Mehrkosten bei Bauverzögerungen?

14. Juni 2021 | Aktuell
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Nur sehr selten wird ein Bau zur vereinbarten Zeit fertiggestellt. Viel häufiger sehen sich Bauherrinnen und Bauherren mit Bauverzögerungen konfrontiert, nur zu oft landen die Parteien vor Gericht. Wer trägt die Mehrkosten bei Bauverzögerungen von Bauprojekten? Und wie kann sich die Bauherrschaft schützen?                                                               

Um sich vor unerwarteten Mehrkosten zu schützen, existiert eine Vielzahl verschiedener Angebote für jeden Schritt von der Bauplanung, bis hin zur Abgabe und Ende von Garantien.

Eine Bauverzögerung oder wie es juristisch korrekt heisst eine Bauablaufstörung, liegt dann vor, wenn die Arbeiten über die geplante und entsprechend vereinbarte Gesamtbauzeit hinaus verlängert werden müssen und die Baustelle daher länger betrieben wird. Sie bringt Mehraufwand für das Unternehmen mit sich, darunter Zusatzkosten, welche infolge längerer Vorhaltung von Baustelleninstallationen und Arbeitskräften anfallen.

Weder im Werkvertragsrecht noch in der SIA-Norm 118 (Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten) des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins finden sich hinreichende Anspruchsgrundlagen für Mehrvergütung des Unternehmers bei Bauablaufstörungen. Allfällige Mehrforderungen lassen sich somit nicht direkt auf eine Gesetzes- oder allgemeine Vertragsgrundlage stützen. Im Falle eines Prozesses sind Unternehmer*innen gut beraten, die Umstände nach Eintritt der Störung zeitnah und ausführlich zu dokumentierten, zum Beispiel mittels Tagesrapporten oder Baujournalen.

Was deckt die Bauversicherung ab?

In der Regel sollen für die gesamte Bauphasegibt mehrere Versicherungen noch vor Baubeginn abgeschlossen werden. Die Bauzeitversicherung (Rohbauversicherung) deckt Schäden ab, die in der gesamten Bauzeit durch Feuer oder Elementarereignisse entstehen. In den Kantonen mit einer kantonalen Gebäudeversicherung ist die Bauzeitversicherung obligatorisch.

Die Bauversicherung wiederum deckt im Bauwesen Beschädigungen oder Zerstörungen der Bauleistung, die durch unvorhersehbare und plötzlich eingetretene Unfälle entstehen. Daneben decken sie Schäden wegen Diebstahls, Wasserschäden am Gebäude und böswillige Beschädigungen. In der Bauherrenhaftpflicht sind Ansprüche des Bauherrn aus Personen- oder Sachschäden versichert und die Abwehr von unbegründeten Ansprüchen gegenüber Dritten sowie die Schadenverhütungskosten. 

Wann kommt die Baugarantieversicherung zum Zuge?

Die Baugarantieversicherung  ist eine Bürgschaft, die erst angegangen werden kann, wenn alle anderen Möglichkeiten zur Beseitigung eines Mangels ausgeschöpft sind. Sie kommt erst dann zum Zug, wenn das garantiepflichtige  Unternehmen zwischenzeitlich liquidiert worden ist und den Mangel selber nicht mehr beheben kann.

Beispiele von Bauversicherern

Die Baloise zum Beispiel bietet eine Bauversicherung an (Bauwesenversicherung und Bauherren-Haftpflichtversicherung). «Als Zusatzdeckung können die Mehrkosten aufgrund von Bauverzögerungen inkludiert werden», sagt Nicole Hess, Mediensprecherin bei Baloise. Anders die Zurich: Ihr Mediensprecher, Kay Schubert, erklärt, dass die Zurich keine Deckung für finanzielle Schäden anbietet, welche dem Bauherrn als Folge von Lieferverzögerungen entstehen, etwa verspäteten Arbeiten von Handwerksbetrieben. Durch die Bauwesenversicherung seien jedoch finanzielle Schäden wie Mehrkosten oder Vertragsausfälle, welche auf einen versicherten Bauschaden zurückzuführen sind, gedeckt. 

Unterschiedliche Kautionsarten

Es stehen verschiedene Kautionsarten von der Offerte bis zur Fertigstellung eines Bauvorhabens zur Verfügung: Die Offertgarantie sichert Ansprüche ab, wenn der Vertrag nach dem Zuschlag nicht abgeschlossen wird oder die Bedingungen gemäss den Ausschreibungen nicht erfüllt werden. Zudem deckt sie die Mehrkosten, sollte der Auftrag neu vergeben werden müssen. Die Anzahlungsgarantie deckt die nicht vertragsgemässe Verwendung einer Anzahlung, beispielsweise, wenn der oder die Auftragsnehmende sich weigert eine Vorauszahlung zurückzuerstatten, obwohl keine Leistung erbracht wurde.

Die Erfüllungsgarantie hingegen sichert Ansprüche bei der Nichterfüllung der verbindlich vereinbarten Leistung der oder des Auftragsnehmenden ab, etwa ein unberechtigter Rücktritt des Vertrags. Eine Werkgarantie (Mängelgewährleistung) schliesslich springt ein, wenn die oder der Auftragnehmende ihres oder seiner Gewährleistungspflicht nicht nachkommt und Mängel während der Garantiezeit nicht behebt. Sie deckt auch die Kosten einer Ersatzvornahme durch ein Drittunternehmen.

Wann werden Konventionalstrafen bezahlt?

Die Konventionalstrafe gilt als Druckmittel gegenüber der Unternehmerin, dem Unternehmer zur Einhaltung von Vertragsbestimmungen, welche für den Besteller mit einem besonderen Risiko behaftet sind. Ihre Höhe wird pro Ereignis in Funktion der Schadenhöhe und der Auswirkungen aus dem Vertragsbruch festgelegt. Die maximale Begrenzung der Summe der Konventionalstrafen liegt zwischen 5 – 10 Prozent der Abrechnungssumme.

Konventionalstrafen sollen auf echte und für den Besteller besonders kritische Vertragsinhalte beschränkt bleiben. Unter diese Prämisse fallen insbesondere kritische Termine für die Inbetriebnahme von Werken oder Werkteilen sowie für deren Übergabe an Nachfolgeunternehmer.

Neuer Anbieter für Sach-, Kautions- und Kreditversicherungen

Ab dem 1. Juli wird sich mit der Tryg Garanti ein neuen Anbieter für Sach-, Kautions- und Kreditversicherungen präsentieren, mit Hauptsitz in Ballerup, in der Nähe von Kopenhagen, Dänemark. Tryg Forsikring A/S ist eines der führenden Versicherungsunternehmen in Skandinavien für Werkgarantien/Bürgschaften und abstrakte Garantien, die für den klassischen Bau benötigt werden. In wie weit solche Garantien im Schweizer Markt akzeptiert werden, wird sich zeigen.

Binci Heeb


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