Neuer Zertifikatslehrgang für Beratende der beruflichen Vorsorge – Ein Erfahrungsbericht
10. Januar 2022 | Aktuell InterviewsAufgrund der stetig steigenden Komplexität in der beruflichen Vorsorge, lassen sich mittlerweile viele Unternehmen von externen Fachleuten beraten. Um dieser Komplexität gerecht zu werden, lancierten die beiden Schweizer Branchenverbände für Versicherungsbroker im Sommer 2020 den neuen Zertifikatslehrgang Dipl. Berater*in berufliche Vorsorge.
Der Lehrgang wurde von der ACA Association des Courtiers en Assurances und der SIBA Swiss Insurance Brokers Association gemeinsam mit der IAF Interessengemeinschaft Ausbildung im Finanzbereich durchgeführt. Die Einführung der Ausbildung war auch eine direkte Reaktion auf die Kritik der C-Alm Studie aus dem Jahr 2019, die den Versicherungsbrokern mangelnde Kenntnisse in der Beratung der beruflichen Vorsorge unterstellte.
Ab Frühjahr 2021 wurde die Ausbildung, welche insgesamt rund 15 Schulungstage beinhaltet, zum Bildungsabschluss an verschiedenen Schulen wie auch im Fernunterricht angeboten. Die ersten Prüfungen, die sowohl in Deutsch als auch in Französisch abgelegt werden konnten, fanden im Herbst 2021 statt. Petra Arnold Schlüssel vom Versicherungsbroker Zertus gehört zu den ersten Absolventinnen, die den Zertifikatslehrgang erfolgreich bestanden haben. Im Interview mit SIBA-Geschäftsführer Marco Natoli berichtet sie über ihre Erfahrungen.
Frau Arnold, Sie gehören zu den ersten Teilnehmerinnen des neuen Zertifikatslehrgangs Dipl. Berater*in berufliche Vorsorge. Wieso haben Sie sich dafür entschieden?
Ich fand es wichtig, einen fachlich umfassenden Blick auf das Thema BVG zu erhalten. In den Hauptthemen Recht, Leistungen, Versicherungstechnik, Kapitalanlagen und Organisation hatte ich bisher punktuell bereits recht gute Kenntnisse, aber mir fehlte die Breite und oft auch die Tiefe in der jeweiligen Thematik.
Zudem ist abzusehen, dass sich die Brokerbranche in Zukunft mehr und vertieft Zeit nehmen muss, um für die Kunden die optimale Vorsorgelösung zu finden. Dazu gehört auch ein permanentes Monitoring der Anschlusslösung und ein Aktivwerden, falls sich Änderungen abzeichnen. Diese Aufgabe ist nur mit der entsprechenden Fachkompetenz auf dem Gebiet der beruflichen Vorsorge erfolgreich zu meistern.
Wie sind Sie auf diese Ausbildung aufmerksam geworden?
Ich habe in der Presse über die Aufgleisung dieser Ausbildung gelesen und mich dann via Newsletter über die Lancierung des Lehrgangs informieren lassen.
Welchen Mehrwert hatte die Ausbildung für Sie persönlich?
Einerseits gibt es mir Sicherheit als Brokerin unsere Kunden im Bereich berufliche Vorsorge optimal beraten und begleiten zu können. Ich bin überzeugt, dass ich damit gut gerüstet bin für die Herausforderungen, welche auf die Branche in Zukunft im Bereich der beruflichen Vorsorge zukommen werden. Andererseits hilft mir das erworbene Wissen sehr in meinem Amt als Stiftungsrätin bei einer grossen Sammeleinrichtung. Hier fallen vor allem die vertieften Kenntnisse in Recht, Versicherungstechnik und Organisation ins Gewicht. Es ist sehr motivierend zu erkennen, dass man als Stiftungsrätin den operativen Verantwortlichen der Stiftung fachlich in vielen Themen auf Augenhöhe begegnen kann.
Wie beurteilen Sie das Niveau der Ausbildung?
Die Ausbildung gibt einen sehr guten Überblick über die Gesamtthematik berufliche Vorsorge, ohne sich allzu sehr in den Details zu verlieren. Gefragt ist interdisziplinäres Denken. Einige Jahre Berufserfahrung in der Branche der beruflichen Vorsorge sind sicher auch empfehlenswert, um optimal von der Ausbildung zu profitieren. Ein Flair für Zahlen schafft ebenfalls Erleichterung.
Wie beurteilen Sie den Wissenstransfer? Können Sie das gelernte in die Praxis umsetzen?
Als Brokerin hängt das auch etwas von der Kundschaft ab. Profitieren können vor allem Kund*innen, welche an einer vertieften Auseinandersetzung mit der beruflichen Vorsorge interessiert sind. Da kann das Wissen nutzenbringend eingesetzt werden. Als Stiftungsratsmitglied profitiere ich ebenfalls schon sehr rege von meinem neu erworbenen Wissen.
Mit welchen Erwartungen haben Sie den Zertifikatslehrgang in Angriff genommen und wurden diese erfüllt?
Die Erwartung war, ein umfassendes Bild der Thematik in der Unternehmensberatung zu erhalten. Das ist gelungen. Der Lehrgang kann sich in brokerrelevanten Marktthemen noch weiterentwickeln. Einer der Schwerpunkte der Ausbildung sollte aus meiner Sicht künftig noch mehr auf den praxisrelevanten Herausforderungen in der Brokertätigkeit liegen. Als Beispiel nenne ich hier die Analyse der verschiedenen Vorsorgemodelle der teilautonomen Vorsorgeeinrichtungen, welche sich in letzter Zeit verändert haben – Stichwort Beteiligungsmodelle.
Worin unterscheidet sich diese Ausbildung von anderen Weiterbildungsformaten?
Die Themen werden sehr interdisziplinär behandelt. Freude am vernetzten Denken ist eine Voraussetzung. Mit auswendig lernen wird man die Ausbildung kaum erfolgreich absolvieren. Gefragt ist ein umfassendes Verständnis der Thematik.
Würden Sie die Ausbildung weiterempfehlen?
Als Teil der Pioniergruppe war ich mir jederzeit bewusst, dass der Lehrgang wie ein Rohdiamant in den folgenden Lehrgängen geschliffen werden muss. Die Ausbildung hat mir bereits einen merklichen Nutzen in meiner Tätigkeit gestiftet. Mit den angeregten Anpassungen wird die Ausbildung in Zukunft ein wichtiger Bestandteil des Kompetenzaufbaus in der unabhängigen Beraterbranche der beruflichen Vorsorge sein. Insofern kann ich die Ausbildung jeder und jedem empfehlen, die oder der sich mehr Kompetenz in der beruflichen Vorsorge aneignen möchte.
Das Interview mit Petra Arnold Schlüssel führte Marco Natoli.
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